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Es werden Posts vom Januar, 2025 angezeigt.

David Lynch von A-Z: Hölle

Nimmt man das melancholisch-stille Road-Movie „Straight Story“ einmal aus, so lässt Lynch seine Figuren in eigentlich allen Filmen unaufhaltbar in die Hölle fahren. Wobei die Bewegung, die Fahrt, der Prozess des (vor sich hin) Treibens eine große Rolle spielt. Auch wenn Henry Spencer von einer unheimlich deformierten Tänzerin, die in seiner Heizung wohnt, vorgesungen bekommt, dass im Himmel alles großartig sei, bleibt ihm schließlich, nach einem wahrlich surrealistischen Inferno, nur die Verwandlung in einen Radiergummi. Hölle, das ist bei Lynch auch ein Ort, an dem die Menschen mit ihren verdrängten Schattenseiten konfrontiert werden, ihren sexuellen Gelüste und aggressiven, sinnlosen Trieben. Gewalt und Gegengewalt wird hier mit großer visueller Kraft von ihrer ansonsten infantilen Verkleinerung im Kino befreit. Selbst Hollywood, die Traumfabrik, kann wie in „Mulholland Drive“ zum Moloch werden, in dem finstere Gestalten und mysteriöse Hintermänner heimlich die Strippe...

David Lynch von A-Z: Geheimnis

Eigentlich bergen alle Filme von David Lynch irgendein Geheimnis (kongenial ist deshalb die deutsche Übersetzung seiner TV-Serie „Das Geheimnis von Twin Peaks“). Vielleicht auch deshalb, weil Lynch wie kaum ein anderer Filmemacher darauf vertraut, dass die wesentliche Magie des Kinos darin besteht, dem Zuschauer etwas zu zeigen, von dem er nicht weiß, wie es entstanden ist. Bis heute rätseln Filmfans, welches Material Lynch für das unheimliche „Baby“ in „Eraserhead“ verwendete. „Was Geheimnisse so interessant für mich macht, ist das mysteriöse Drumherum: ein düsteres Geheimnis…Allein schon die Worte ‘düsteres Geheimnis’ sind einfach wunderschön“, sagte Lynch einmal in einem Interview. Und seine Figuren bleiben, auch wenn sie stets auf der Suche nach der Wahrheit sind, irgendwie stets davor stehen, bevor sie sie ergreifen. Sie schauen zwar in Heizungsrohren, Kleiderschränken und in merkwürdigen blauen Kästchen nach, doch sie haben vor dem Zuschauer keinen Wissensvorsprung. Und au...

Auschwitz gesehen

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Vor vielen Jahren habe ich Auschwitz gesehen. Diese Erfahrung hat mich sehr geprägt. Erst später habe ich verstanden, dass es eigentlich unmöglich ist, das Lager wieder zu verlassen, wenn man es erst einmal betreten hat. Das Erschreckendste ist die Friedlichkeit, die absolute Ruhe, die sich über das Gelände wie Morgentau auf Gras gelegt hat. Die Natur hat Birkenau, hat Auschwitz zurückerobert. Natürlich war mir das Endzeitlager auch als Kind schon ein abstrakter Begriff. In Klassenzimmer hatten wir darüber gesprochen, Anne Frank behandelt und auch „Schindlers Liste“ gesehen. Ich kann mich noch gut erinnern, dass die klagenden Violinenklänge, die John Williams für den Spielberg-Film komponiert hatte, sofort in meine Gedanken sprangen, als ich über die sorgsam für den Publikumsbesuch hergerichteten Pfade in Auschwitz schlich.  Auch die eine Szene, als die gefangenen Juden in einer schneeverhangenen Winternacht in der Hölle ankamen und mit dem Zug durch die von Aussichtstü...

David Lynch von A-Z: Feuer

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Kein Bild in Lynchs Werk ist so stark wie das Feuer, das zum Leitmotiv in „Twin Peaks“ wird (Fire Walk With Me), in „Wild At Heart“ erotische Leidenschaft und Aggressionen ganz gegenständlich in Beziehung setzt und vor allem auch auf der akustischen Ebene in eigentlich jedem Film präsent ist.  Auch ein Soundtrack-Album Lynchs trägt das Feuer bereits im Titel („The Air Is On Fire“). Das Element ist in den Filmen des Regisseurs mehr als nur eine Metapher (so wie bei Andrej Takowskij das Wasser), es steht als geradezu kreative, narrative Kraft für sich – so wie das Haus, das in „Lost Highway“ in Flammen aufgeht.

David Lynch von A-Z: Esoterik

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Nachdem sich David Lynch für die Transzendentale Meditation stark gemacht hatte, wurde sein Werk in einem völlig anderen Licht betrachtet. Während einige Kritiker in dem esoterischen Kauderwelsch, das Lynch auch auf merkwürdigen Podiumsdiskussionen losließ (z.B. in Berlin, wo eine Veranstaltung nach Studentenprotesten im absoluten Chaos endete), einen Ankerpunkt gefunden zu glauben haben, um ihre Abneigung gegen die Filme des Amerikaners zu begründen, haben selbst glühende Fans Schwierigkeiten, mit Lynchs spirituellen Aussagen umzugehen. Spirituelle Filme David Sieveking drehte mit „David Wants To Fly“ eine glänzende Doku-Satire, die das Dilemma veranschaulicht. Der Meister düsterer Gegenwelten hatte in einem Buch namens „Catching The Big Fish“ – das im Januar 2016 zum ersten Mal auf Deutsch erschienen – auch noch eine Anleitung zur friedfertigen Meditation und einem gelungenen Leben gegeben. Darin erzählte er von seinen tiefen Erfahrungen mit dem Tempo des Lebens, warum „Erase...

David Lynch von A-Z: Dumbland

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David Lynch kreierte nicht nur mit „The Angriest Dog In The World” einen genialen wöchentlichen Comic-Strip (der stets aus den selben Bildern bestand und nur eine Variation der Dialoge darstellte), sondern auch eine radikal-minimalistische Zeichentrickserie namens „Dumbland“, die lediglich acht kurze Episoden trug und zunächst auf seiner Website eingestellt wurde.  Mit kruden Animationen zeigt der Künstler hier Situationen aus dem Leben eines typischen weißen Amerikaners des Kleinbürgertums. Vielleicht wurde Lynch als Gesellschaftskritiker immer etwas unterschätzt, weil seine Bilder und Geschichten so suggestiv sind. Natürlich geht es auch hier seltsam, wenn nicht gar vulgär zu. Nachbarn haben Sex mit Enten, es wird eher geschrien als gesprochen, Blut spritzt aus den Köpfen der Figuren und Ameisen spielen eine furchterregende Nebenrolle.

David Lynch von A-Z: Clowns

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Die tragikomische Dimension der Clowns hat Lynch in vielen seiner Filme als Ausgangspunkt verwendet, um unberechenbare Figuren zu erschaffen. Sie eint, dass sie niemals die Motivation ihres Handelns verraten und für den Zuschauer durch ihre groteske, wahnsinnige, aber eben auch komische Art, mit der Umwelt manchmal ganz hilflos in Beziehung zu treten, unterhaltsam sind. Die flirrende Welt des Zirkus und der Jahrmärkte war für Lynch stets Inspiration für seine künstlerische Arbeit, am deutlichsten festgehalten in „Der Elefantenmensch“. Mit seinem selbstständig eingespielten Album „Crazy Clowntime“ und dem dazugehörigen Titelsong samt psychedelischem Video fand er auch noch einen anderen Zugang zu dem Thema.   

David Lynch von A-Z: Bacon

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David Lynch begann seine künstlerische Karriere als Maler, studierte zunächst an der Pennsylvania Academy of Fine Arts, wo er vor allem düstere Gemälde entwickelte (einige davon wurden in der Wanderausstellung „Dark Splendor“, die im Max-Ernst-Museum in Brühl gezeigt wurde, ausgestellt). Seine Einflüsse hat der Universalkünstler dabei – in Interviews ansonsten eher verschwiegen, was Ursprünge und Bedeutungsebenen seiner Werke angeht – überraschend deutlich offengelegt.   Neben den Filmen von Bergman, Kubrick, Wilder und Fellini sind als künstlerische Vorbilder Edward Hopper, René Magritte, Henri Rousseau und vor allem Francis Bacon bedeutsam, der mit seiner Darstellung von gequälten und in den erschreckendsten Positionen verrenkten Körpern mit ähnlicher Präzision wie Lynch, vielleicht aber noch eine Spur abstrakter, das Eindringen des Unheimlichen ins für uns alle alltägliche Leben zeigte. Six Men Getting Sick Von Bacon hat Lynch den ambivalenten Zugang zur Reflexion von Gewal...

David Lynch von A-Z: Alphabet

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David Lynch war wohl der größte Sprachkritiker des Gegenwartskinos. Beginnend mit seinem Kurzfilm „The Alphabet“ von 1968 (in dem mit suggestiven Bildern die Qual, lesen und schreiben zu lernen, symbolisiert wird) ist die Unfähigkeit zu sprechen und die Gefahr des geschrieben Wortes in fast allen Filmen Thema. Es kommt bei Lynch eher darauf an, wie etwas gesagt wird, als was. Dabei geht es vor allem auch um die ganz konkrete Unmöglichkeit, sinnvoll zu kommunizieren. In „Twin Peaks“ bringt der Regisseur dies mit seinem Cameo-Auftritt als schwerhörigem FBI-Agenten absurdkomisch auf den Punkt.

Duftwechsel

Manchmal reicht es schon aus, wenn man das Parfüm wechselt. 

Einen trifft es immer härter

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Wenn Menschen, die lange Zeit ein Leben geteilt haben, auseinandergehen, dann unterscheidet sich der Schmerz danach oft deutlich. Das können Paartherapeuten ebenso bestätigen wie Scheidungsanwälte. Männern gelingt es oftmals, sich zunächst abzulenken und die Trauer auf später zu verschieben; sie leiden dafür nicht selten sehr viel länger, weil sie erst später den Verlust nachempfinden können. Frauen spüren das Zerbrochene dagegen Wochen nach dem Schlussstrich emotional heftiger und sind mitunter erschütterter von der Trennungserfahrung. Dafür verarbeiten sie das Ende einer Beziehung zumeist schneller. Unabhängig von dieser psychologischen Realität gilt aber auch die unversöhnlich stimmende Tatsache, dass immer einer von beiden mehr verliert.

Different Class

Blur oder Oasis ? Pulp!

Eden und danach

Dem aus dem Paradies vertriebenem Menschen ist die Rückkehr in den Gottesgarten nicht versperrt. Er könnte jederzeit Einlass begehren. Doch konfrontiert mit der nicht mehr gekannten Sorglosigkeit, stieße ihm die Unfähigkeit zum Genuss als neue Furcht auf - größer als die Angst vor dem Tod.

Schwach-Sinn

Erst im Schwachsein, ob nun selbst herbeigeführt oder dazu genötigt, hat der Mensch Zugang zu seinen inneren Wunden. Das allein ist noch kein Schritt zur Tat, aber mit der Einsicht, dass es schmerzt, nährt sich die Vorstellung oder vielmehr die Gewissheit des eigenen oder fremden Unglücks. Es ist paradox, aber nur so vergrößert sich der Handlungsspielraum des Leidenden. In der Wut meint er, klar zu sehen, doch eigentlich ist alles vernebelt. Verzweiflung hingegen ist nur der emotionale Ausdruck des Willens, nicht schwach sein zu wollen. Nur mit Tränen in den Augen werden neue Welten geboren. 

In Honig getaucht

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Mein lieber Sohn,  ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, wie ich einst in der gleichen Situation war wie du jetzt. Diese freudige und zugleich spannungsreiche Erwartung. Das Bangen, ob alles genau so abläuft, wie es zuvor besprochen und erhofft wurde. Es kommt eh alles anders, als man denkt. Das ist jetzt aber nicht wirklich ein Ratschlag, sondern eine fürchterliche Binsenweisheit, höre ich dich sagen. Natürlich! Aber genau das bedeutet es ja, Mutter und Vater zu werden: sich auf etwas einzulassen, das nicht planbar ist. Du kamst auf den letzten Drücker auf die Welt, mein Sohn. Als hättest du gar keine Lust gehabt, aus deinem wonnig-warmen Nest zu schlüpfen. Warum auch? Im eisigkalten Winter fällt es doch viel schwerer, zum ersten Mal die Augen zu öffnen und nach Luft zu schnappen. Du hast es dann doch gewagt, auch wenn du deiner Mutter und mir erst einmal viel Angst eingejagt hast. Darauf musst du dich nun auch einstellen: Die Furcht wird zu deiner alltägli...

Hinhören

Der Welt zu lauschen ist etwas anderes, als ihr unseren Willen aufzuzwingen. 

Songs für die oft Unglücklichen

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Als Michel Houellebecq 2022 seinen neuen Roman „Vernichten“ veröffentlichte, machte das Gerücht die Runde, es könnte bereits sein letzter sein. Das deutete zumindest die Danksagung aus dem Buch an.  Darin hieß es: „Ich bin glücklicherweise gerade zu einer positiven Erkenntnis gelangt (…). Für mich ist es Zeit aufzuhören.“ Passend dazu erweitert „Vernichten“ trotz seines düsteren Titels den enormen moralphilosophischen Korpus des französischen Autors um durchaus friedfertige Gedanken über die Liebe.  Ist Michel Houellebecq etwa altersmilde geworden? Mitnichten, wie ein Großteil des gesellschaftskritischen Fundaments des Romans nachweist, das sich mühelos in das skeptische Grundrauschen des Franzosen einordnen lässt. Aber Züge von Naivität, von einer humanistisch-romantischen Weltsicht finden sich eben auch bei Houellebecq. Und das führt sehr direkt zu seiner Verehrung für Neil Young.  Michel Houellebecq und Neil Young?  Der Autor hat für das gewaltige „Dictionnaire du...

Vertane Zeit, verlorene Müh'

Jetzt soll's auch bis zum bittren Ende glimmen,  Worte fallen eh nicht auf und Taten eher an.  Ich senke den Spiegel ab und stell' den Pegel ein.  Vertane Zeit, verlor e ne Müh'.  Lieben, einfach so, ganz wahr.