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Es werden Posts vom April, 2025 angezeigt.

Fernab der Revolte

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Ein pragmatisches Leben ist aufs Ende hin ausgerichtet. Es folgt festen, oft nur unter Mühe veränderbaren Zielen. Irgendwann wird Bilanz gezogen; nicht nach dem Weg, sondern dem Ertrag. Der Weg mag von Wünschen gesäumt sein, der Prozess zu ihrer Erfüllung zählt aber nicht in der großen Abrechnung. Der Zweck heiligt buchstäblich die Mittel. Effizienz geht auf Kosten der Tiefe, schenkt aber Sicherheit. Umwege führen nur dann zu Glück, wenn sie erlauben, längere geplante Strecken abzukürzen.  Ein sachlich geführtes Leben kennt kein Flanieren. Keine Kontemplation ohne Richtung, kein Träumen ohne Deutung. Es bevorzugt das Werk, nicht die Skizze. Beobachtet wird, um zu verstehen. Der Blick schweift nicht in den Himmel, sondern kontrolliert den Stand der eigenen Füße.  Doch wer misst, was verloren geht, wenn die Wolken ungezählt bleiben?

Spurlos verschwunden

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Die meisten meiner Phantasmen neigen sich dem Unheimlichen zu: aus großer Höhe fallen (oder flügellos fliegen können), von einem Unbekannten verfolgt werden (und, erst einmal geschnappt, im Nahkampf kein Gefühl in den Knochen zu haben, während ich zurückschlage) oder plötzlich zu verschwinden.  Erzählungen über Menschen, die von einem Moment auf den anderen wie vom Erdboden verschluckt erscheinen, berühren mich. Wurden sie entführt, gar getötet? Hatten sie einen Unfall - etwa der Fall in ein tiefes Loch während eines Waldspaziergangs? Haben sie ein neues Leben unter anderer Identität begonnen? Melden sie sich eines Tages vielleicht wieder; ein Anruf mitten in der Nacht? Warum hinterlassen sie keine Botschaft, wieso gibt es nicht einmal einen Hinweis auf ihren Weg hinfort?  Manchmal versteckt sich darin die Vorstellung von der Flucht aus einer Welt, die nicht mehr zu ertragen ist. Natürlich: auch eine Metapher für den letzten Handgriff.  Auszuschließen ist nicht, dass böse...

David Lynch von A-Z: Voyeurismus

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Auch hier wieder: „Blue Velvet“. Jeffrey Beaumont, auf der Suche nach einem echten Abenteuer und eingestiegen in das Apartment von Dorothy Vallens, kann gerade noch in den Kleiderschrank flüchten, als das Ziel seines Begehrens unerwartet früh nachhause zurückkehrt. Und nun muss der Jüngling, erst entdeckt, dann wieder versteckt, etwas beobachten, das ihn wie auch den Zuschauer wohl gleichsam abstößt wie eigenartig erregt. Auf jeden Fall sorgt diese Variation der Ur-Szene (Kind beobachtet Mutter und Vater beim Sex) dafür, dass Jeffrey der geheimnisvollen Brünetten vollkommen verfällt. Er hat Paradies und Hölle gleichzeitig gesehen. Die Filme von Lynch sind geprägt von einem Voyeurismus, der für die Zuschauer oft zur Tortur wird. Zu sehen ist, wovor man sonst die Augen verschließen würde. Ein allgegenwärtiges Prinzip, das sich längst nicht nur auf die spätestens seit Freund unter dem Begriff versammelten Leidenschaften bezieht. Natürlich trauern die Figuren in „Twin Peaks“ um Laura ...

Krähenkampf

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Der feine Unterschied

Der Unterschied zwischen Melancholie und Depression, zwischen Trauer ohne Grund und Krankheit, hat die Menschen trotz sich verändernder Genie- und Gesundheitsdiskurse schon immer beschäftigt. Im mal größer, mal kleiner werdenden Spalt zwischen den beiden Polen offenbart sich die Würde, die eine Gesellschaft ihren Außenseitern und Versehrten zugesteht.

Bewahrt und ausgehalten

Warum wird eigentlich stets dem Finden und Überwinden Magie zugesprochen? Die Wahrheit eines Lebens entfaltet sich doch eher im Bewahren und Aushalten. 

David Lynch von A-Z: Unheimlich

Ein blauer Samtvorhang, die dramatischen Klänge von Angelo Badalamenti. Dann plötzlich ein blauer Himmel, rote Rosen, „Blue Velvet“ von Bobby Vinton, ein Feuerwehrwagen, winkende Feuerwehrmänner, sich im Wind wiegende gelbe Blumen, Kinder überqueren eine Hauptverkehrsstraße, von einem Lotsen sicher geleitet. Dann eines dieser typischen amerikanischen Vorstadthäuser, ein Mann sprengt den Rasen, eine Frau sitzt auf dem Sofa, sieht fern, trinkt einen Kaffee dazu, auf dem Bildschirm sieht man eine Pistole, vielleicht sieht die Frau einen Krimi.  Im Garten: Plötzlich verfängt sich der Wasserschlauch in einem Gewächs, gleich könnte die Wasserzufuhr durchbrochen werden. Doch stattdessen fasst sich der Mann an den Hals, gestikuliert wild vor sich hin. Er hat wohl einen Schlaganfall. Er fällt auf den Boden. Das Wasser spritzt unkontrolliert aus dem Schlauch, ein Hund labt sich daran, ein Kleinkind tappst herbei. Noch immer „Blue Velvet“ von Bobby Vinton, aber das Geräusch des zähnef...

Gefangen im Gefühlschaos

Manche glauben, authentisch zu leben, weil sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen und ihre Gedanken keiner kritischen Überprüfung unterziehen wollen. 

Angenagt

Wut essen Seele auf.

David Lynch von A-Z: Träume

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Das Kino ist eine Projektion unserer Träume. Das Kino ist (scheinbar) in der Lage, die Logik unserer Träume sichtbar zu machen. Doch den wenigsten Filmemachern gelingt es, sich ohne Klischees an die ästhetische Mimesis tatsächlicher Traumerfahrungen heranzuwagen.  David Lynch wies in vielen Gesprächen darauf hin, dass er mit seinen Filmen, in denen konkrete Träume der Figuren immer wieder thematisiert und auch dargestellt werden („Twin Peaks“), eigentlich den Techniken des Tagtraums vertraute, die seiner Meinung nach viel eher das Potential hätten, zu Wahrheiten über die eigene Biographie vorzudringen.  Aber letztlich geht es in den Werken von Lynch nicht nur darum, Traumsymbole zu entschlüsseln, sondern sich auf dieses Spiel mit Verschiebungen, Verdopplungen und Motiven einzulassen. Die Traumsprache des Regisseurs wird nämlich erst dann ergiebig, wenn man ihre konzentrierte Form über alle seine Kabinettstücke hinweg betrachtet.    Dann sieht man die sich wi...