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Es werden Posts vom Oktober, 2023 angezeigt.

Liebe und Lachen

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Noch bevor der Mensch als Kind lernt, welche Rolle die Liebe , zunächst das Geliebtwerden, später das Lieben, für sein (Über-)Leben spielt, ergreift er das Lachen als wesentliches Spiel des Daseins.  Als Säugling glaubt er an die Unverstelltheit der sich öffnenden Mundwinkel – ein lügendes Lachen käme ihm nicht in den Sinn. Als Heranwachsender probt er selbst das schauspielernde Grinsen (man beobachtende das verschämte, freche Strahlen nach einer aufgeflogenen Lüge), bis es schließlich zur Ressource wird, der Welt wissend und heiter zu begegnen und andere Menschen um einen herum für sich zu gewinnen oder ihnen vom eigenen Glück ohne Worte zu erzählen .  Recht eigentlich ist dem ehrlichen und offenen Lachen, das neben dem klagenden, Hilfe suchenden Weinen und Schreien, die erste Emotion ist, die der Mensch ohne Anstrengungen aus seinem Inneren herausschält, um zu bleiben, viel eher zu vertrauen als den launenhaften Herzensergießungen.  Aber wie bei allen Dingen, die ohne Mühe zu haben

Perlen vom Meeresgrund

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Manchmal, aber nur selten, öffnet sich im Kino eines bestimmten Landes ein Spalt für Außergewöhnliches. Dann entwickelt sich mitunter, von mutigen Experimenten angetrieben, eine ganz eigene, neue Filmsprache. So strahlten der deutsche Expressionismus oder der italienische Neorealismus weit über die Grenzen der heimischen Lichtspielhäuser hinweg. Denkt man an solche Neuen Wellen, fällt der Blick immer noch auf Frankreich in den späten 50er- und frühen 60er-Jahren – auf Godard, Truffaut und Rivette. Mit der französischen Nouvelle Vague wuchs das Verständnis dafür, dass eine kleine Elite von Filmemachern in der Lage sein konnte, den Blick auf das, was Filmkunst ist, für immer zu verändern.  Zu jenen zahlreichen Bewegungen, die in den Sechzigern das Kino aufrüttelten, gehört aber auch die Tschechoslowakische Neue Welle. Sie ist ein wundersames, aber viel zu wenig beachtetes Beispiel dafür, was Künstler in einer repressiven Gesellschaft anstellen können, wenn für einen kurzen Zeitraum der f

Wenigstens

Wenn es schon mit der Hoffnung schwierig wird, hilft wenigstens Zuversicht. 

Blütenpflaster

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Laute und leise Wünsche

Der eine posaunt seine Wünsche nahezu täglich laut heraus, der andere bringt sie kaum einmal über die Lippen. 

Die Unfähigkeit zu trauern

Am 14. Oktober verschwinden von einem Moment auf den anderen 170 Millionen Menschen. Exakt zwei Prozent der Menschheit. Keiner weiß, wo sie abgeblieben sind. Niemand weiß eine Antwort darauf, warum es die einen aus der Welt geworfen hat und die anderen nicht. In einigen Städten gibt es nicht eine Person, die vermisst wird, in anderen Orten werden ganze Familien radikal dezimiert. Irgendwann einigen sich die Verbliebenen, die keine plausible Erklärung für das Ereignis finden, von einer plötzlichen Entrückung zu sprechen. Ein Forschungsinstitut wird gegründet, das statistisch erfassen soll, was all die Verschwundenen gemeinsam hatten. Viele wissen nicht, wohin mit ihrer Trauer. Kommen ihre Lieben, ihre Freunde, ihre Nachbarn wieder zurück? Getrauert werden kann nur um Tote, nicht um Verschwundene… Wie mit den Zweifeln umgehen? Doch der Alltag muss für die Zurückgelassenen weitergehen. Arbeit muss getan werden, Kinder müssen erzogen werden, Einkäufe sollten erledigt werden. Irge

Laut lachend aufgewacht

Einmal träumte Adorno:  „Ich hörte Hitlers unverkennbare Stimme aus Lautsprechern tönen mit einer Ansprache: 'Da gestern meine einzige Tochter einem tragischen Unglücksfall zum Opfer gefallen ist, so ordne ich zur Sühne an, dass heute sämtliche Züge entgleisen.' Laut lachend aufgewacht.“

Die heilende Kraft des Zähneputzens

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Wenn das Leben außer Takt gerät, dann wird oftmals zuerst auf das tägliche Zähneputzen verzichtet. Einmal nicht mit der Bürste hantieren, kann ja nicht so schlimm sein. Ein paar Minuten am Tag. Gespart. Aber warum wird ausgerechnet an der Dentalhygiene geschraubt? Neben den täglichen Dringlichkeitsverrichtungen ist diese Waschung doch von eigentümlicher Geometrie.  In der Dusche oder Wanne gibt es ja stets einen neuen Rhythmus. Der Waschlappen verträgt sich gut mit der Improvisation. Aber das Gebiss wird ab einem bestimmten Alter ganz mechanisch fast immer gleich bearbeitet. Selbst die Menge an Zahnpasta, die auf das analoge oder digitale Borstengestell aufgetragen wird, bleibt fast immer ähnlich, je nach Schaumbedürfnis und Vorliebe für die richtige Zahncreme. Die Minznote ist entscheidend. Manche mögen es scharf, andere akzeptieren es salzig, wenn nur die Inhaltsstoffe stimmen.  Dann rotiert die Bürste. Rechts, links, im Uhrzeigersinn, im 4/4-Takt, mal mit federnder Leichtigkeit, mal

OmU

Es gibt sie seit dem Beginn des Streaming-Zeitalters viel häufiger als früher: Diese Typen, die behaupten, sie würden sich alles, was sie sehen, nur im Original-Ton anhören. Sie meinen damit oft, dass sie, weil sie dieser Sprache mächtig sind, alles in Englisch verfolgen, weil es sich ohne Synchronisation völlig anders anhörte.  Damit haben sie natürlich recht, denn der Übertragungsprozess in eine andere Sprache bringt Kürzungen und emotionale Verschiebungen mit sich. Man hört es am schönsten, wenn etwa deutsche Schauspieler, die in Hollywood reüssieren, ihre eigenen Filme synchronisieren. Manche kokettieren möglicherweise sogar mit diesem Fremdheitseffekt, jedenfalls sollte man das für die launigen Übersetzungssprachleistungen von Christoph Waltz als Ironievariante nicht ausschließen.  Trotz dieses natürlich auch als Distinktionsgewinn zu verstehenden Rezeptionsverhaltens - man hört es immerhin manchmal noch bei französischen, italienischen oder spanischen Filmen und Serien, aber fast

Die Nacht singt ihre Lieder

Schriftsteller sind eitel, und auch wenn sie etwas anderes behaupten, sie empfinden sich stets im manchmal gar schmerzhaften Konkurrenzkampf mit anderen Autoren. Kritikern geht es nicht anders, sie loben die einen etwas zu wenig und verdammen die anderen etwas zu sehr. Oder andersherum, je nach Perspektive.  Wenn man nicht die Vorstellung von der schleichenden Zersetzung bürgerlicher Hochkultur teilen will, dann ist die Ankündigung, wer alljährlich den Literaturnobelpreis bekommt, einer der wenigen Festtage für jene, die lesen, weil es für sie zum Leben dazugehört. Verlage und Buchhandlungen freuen sich sowieso, denn der oder die Gekrönte verkauft schlagartig so viel mehr, dass sich schon so ein goldener Herbst ankündigt.  Dieses Jahr hat es den Norweger Jon Fosse getroffen. Ob es ein Glücksfall ist, den Preis zu erhalten, kommt auf den Charakter und auch das Alter der Ausgezeichneten an, vielleicht auch auf deren Geldkonto. Manche genießen still, andere hören auf zu schreiben oder wie