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Der Apokalyptiker (3): Schuld und Sühne

Längst hat sich Haneke auch zum Schauspielerregisseur gemausert, dem die großen Vertreter(innen) der Zunft nur zu gerne in den erzählerischen Abgrund folgen. Das ist das Verdienst von Juliette Binoche, die den Regisseur zur Jahrtausendwende nach Frankreich lockte und mit ihm die poetische Film-Rhapsodie „Code: unbekannt“ drehte. Der weithin unterschätzte Film sollte längst als eines der Schlüsselwerke Hanekes betrachtet werden, vereint der Regisseur doch hier – mit eindrucksvollen Plansequenzen – alle seine bedeutsamen Themen der frühen Werke mit einer wesentlich zugänglicheren, pointierteren Inszenierung. Schaut man auf die von Terror, Fremdenhass und Demokratieerosion geprägten Gegenwartsdiskurse, dann findet man alle wesentlichen Triebfedern für das, was zur Zeit bewegt, in diesem ergreifenden, aber auch stillen Mosaik von einem Film.  Mit der „Klavierspielerin“ zeigte Haneke 2001, dass es ohne Probleme möglich ist, etwas von Elfriede Jelinek zu verfilmen, ohne die Ideale der r

Fassade

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Der Apokalyptiker (2): Frontalangriff auf die Zerstreuung

Spätestens mit der metanarrativen Zumutung „Funny Games“, der von vielen Zuschauern zumindest skeptisch betrachteten Mediensatire, die der Regisseur mit großen Stars in Hollywood noch einmal inszenierte, hatte sich Haneke als unerbittlicher Gesellschaftskritiker etabliert. Sein subversiver Angriff galt aber immer schon weniger den sozialen Zuständen, als viel mehr den Bildern, die sich die westliche Welt zu Selbstvergewisserung auf die Kinoleinwände und inzwischen auf die Smartphones holt. Darin erkannte er die Lust am Skandal, an der Gewalt, an der Verdummung – am grenzenlosen Konsum von Narrativen, die jede moralischen Reflexion über Sinn und Unsinn des Daseins obsolet macht.  Für Haneke ist diese Form der Unterhaltung lediglich Zerstreuung, die er mit seinen ernsthaften Meditationen über die obskuren Begierden und gewissenlosen Fehlurteile des Bürgertums in Frage stellt. Und in seinen Filmen geht es vor allem um die gut Betuchten, die ihre Schuldgefühle mit teurem Rotwein heru

Der Apokalyptiker (1): Fragmentarische Versuchsanordnungen

Michael Haneke ist einer der letzten Vertreter eines aussterbenden europäischen Kinos, das seinen Zuschauern emotional und intellektuell alles abverlangt. Notizen zum Lebenswerk eines radikalen Denkers.  In einem Interview sagte Michael Haneke einmal, dass er sich nicht als glücklichen Menschen bezeichnen würde. Das dürfte die Zuschauer seiner Filme kaum überraschen. Sie haben keine Happy Ends (und trotzdem drehte der in München geborene Österreicher einen Film mit genau diesem Titel). Sie vermitteln vor allem im Frühwerk den Eindruck, kühl inszenierte Versuchsanordnungen zu sein und in der Regel kommen Menschen und Tiere auf grausame Art und Weise zu Schaden.  „Ich tendiere dazu, melancholisch zu sein“, fügte Haneke seiner Feststellung in dem Gespräch an. „Als Melancholiker kann man sich schon recht glücklich fühlen.“ Jene Dialektik, die der Filmemacher für seine eigene Lebensweise behauptet, prägt auch seine durchaus auf mehrere Arten persönlichen Werke, die stark am minim