Lauert im Freien die Gefahr?


Nur ein Beispiel für die Macht irrationaler Ängste: Seit vielen Jahren nimmt die Zeit, die Kinder spielend in der Natur oder wenigstens an der frischen Luft verbringen, dramatisch ab. Die negativen Folgen sind gut dokumentiert und reichen von motorischen Mängeln über Defizite emotionaler Stressbewältigung bis hin zur Neigung, mehr mit Bildschirmgeräten zu machen. 

Der Volksmund spricht hier von Teufelskreis, der Psychologe hat auch eine gewaltige Beleglage in die andere Richtung anzubieten. 

Das Auseinandersetzen mit äußeren Reizen, das Greifen nach Regenwürmern und Baumrinden, das Schwimmen in Flüssen, das Kicken im Morast und Schlafen unter Sternen mit nächtlichem Mückengebrumm gibt der Gehirnentwicklung einen derart nachweisbaren Schub, dass jede Ersatzfunktion und Bildungsanstrengung, egal ob virtuell oder nicht, dagegen verblasst. 

Und warum wird dieser Gewinn, der in der Regel außer Überwindung nicht einmal etwas kostet, so offensichtlich verschenkt? Nun, das Spielen im Freien bringt auch ein Risiko mit sich. Es ist wahrscheinlicher als in den eigenen vier Wänden, dass man sich verletzt, dass man stürzt, dass man unkontrolliert mit anderen rauft, dass man Unsinn anstellt. Oder sich eben ausprobiert und kreativ wird. 

Also wäre da doch ein Gleichgewicht und die Entscheidung für den Gang in die Wälder und Parks eigentlich einfach. Nicht ganz. Fragt man Eltern, warum sie sich trotz solch guter Argumente oft gegen die Auszeit unter Sonnensegel entscheiden, antwortet die Mehrheit nach der Furcht vor Verletzungen, dass sie die Angst haben, ihre Kinder könnten, wenn sie allein fort sind, um zu spielen, entführt werden. Der schwarze Mann, der in den Feldern wartet, um zuzuschlagen. 

Natürlich gibt es Fälle von Kindesentführungen und Gewalttaten an Kleinsten, die sich nicht unmittelbar in der Nähe des Zuhauses befanden. Aber ersteres ist trotz beunruhigender Medienberichterstattung so selten, dass dazu nicht einmal Kriminalitätsstatistiken geführt werden, und zweiteres geschieht oft im Zusammenhang mit anderen Kindern und Jugendlichen, die einander draußen eben begegnen. 

Die irrationale Angst überwiegt also auf diesem Feld die rational begründeten Vorteile einer buchstäblichen Spielwiese, so dass unter dem Strich die absurde Verhinderung von kindlicher Entwicklung hin zu robusten, Risiken richtig einschätzenden und mit Mutter Erde in Eintracht lebenden Menschlein begrenzt wird, damit ja nichts passiert, das gefährlich sein könnte. 

Was würden Kinder ihren Vormündern antworten, wenn sie von diesen Tatsachen erführen (und gerade nicht von Videospielen oder Blendspiegeln der sozialen Medien abgelenkt erscheinen)? 

„Merkste selbst!“

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