Zuviel des Guten


Der Klimawandel ist ein komplexes Themengebiet. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass es trotz gesicherter Faktenlage Hunderter wissenschaftlicher Einrichtungen selbst von einigen regierenden Politikern geleugnet und von einer Gruppe von Menschen als Highway To Hell interpretiert wird. 

Zwei ins intellektuelle Nichts sich streckende Extreme eines dann doch wieder simplen Phänomens: Wenn etwas dauerhaft als Krise bezeichnet wird, was sich als Prozess mit vielen Abstufungen und statistischen Unsicherheiten (oder schlicht unbekannten Folgewirkungen) zeigt, dann überfordert dies den Geist im Grunde fast aller, es sei denn, sie neigen zur Prophetie. Aber wer tut das schon?

Von der sich verändernden Biodiversität, die letztlich eine noch viel gewaltigere und schleichende Katastrophe für den Homo sapiens ist, wäre da noch gar nicht gesprochen. Viel hingegen ist die Rede von neuen Trockenzeiten. Wochen ohne Regen. Verdorrte Pflanzen und Bäume und sandige, versäuerte Böden. 

Es gibt dann diese verfluchten Regentage, wenn innerhalb von wenigen Minuten so viel Wasser aus den Wolken schüttet wie sonst innerhalb eines Monats. Kinder freuen sich dann: Endlich etwas zu trinken für die Blumen. Aber Forscher runzeln die Stirn: Die trockenen Böden könnten das Wasser kaum aufnehmen; es ist ein Beguss ohne tiefere Wirkung – buchstäblich der Tropfen auf den heißen Stein. 

Und weil die Natur um uns herum die Metaphern fleißig vorproduziert, sollte dieses Bild von den durstigen Böden, die mit allzu viel Nass gar nichts mehr anzufangen wissen, ernst genommen werden. Denn dieser dann doch symbolische Vorgang findet sich auch anderswo. 

Etwa: Ein Mensch, der bereits als Pimpf keine Liebe empfängt und als Erwachsener selbst Schwierigkeiten hat zu lieben, wird mit einer Bekanntschaft, die ihn mit Zärtlichkeit und Wohlwollen überschüttet, nicht glücklich werden. 

Oder: Ein Kind, das von zuhause aus kaum das Vergnügen des Lesens und die Wonnen des Wissenwollens aufgesogen hat, wird sich nicht beschenkt fühlen, wenn es in der Schule einen Bildungsgutschein, ein Theaterabo oder eine kurzfristige Tageszeitungszustellung erhält. 

Und: Wer lange Zeit seinem Körper nichts mehr Gutes getan hat, wird zwar nach einem Mal Joggen ein leichtes Glücksgefühl erhaschen, aber aufgrund den darauf folgenden Gliederschmerzen schon beim zweiten Mal sehr viel mehr Kraft aufbringen müssen, um weiterzumachen. 

Die Lehre daraus ist, dass ein plötzliches Zuviel von etwas niemals ausgleichen kann, was lange Zeit als Mangel galt und nicht zur Verfügung stand.

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