Schimmerndes Neonlicht


Als ich mich einst dagegen entschied, einen Führerschein zu machen, war dies zunächst nur den Lebensumständen geschuldet. Andere Dinge waren wichtiger, wollten aufgeholt werden. Ein Auto wirkte in der jugendlichen Verneblung in der Anschaffung teuer, die Straßenverkehrsregeln kompliziert und auch sonst drängte mich nichts, in einer engen Blechkiste über Landstraßen zu jagen. Doch schon in dem Moment, da einer nach dem nächsten diese Reifeprüfung ablegte, manche sogar, bevor sie das erste Mal mit jemandem Sex hatten, ahnte ich, dass es ein Fehler war. 

Das Automobil steht für Freiheit, das sagen nicht mal nur ihre grobklotzigsten Verfechter, die ohne Gewissen mit durchgedrücktem Fuß auf dem Gaspedal auf der linken Spur die Autobahn entlangdüsen. Das scheint mir etwas übertrieben. Lange Zeit war das motorisierte Gefährt schließlich auch ein Statussymbol. Wer es hatte, war mobil, beweglich, ausgestattet. Die Armen hatten jedenfalls keines, oder nur einen rostigen Gebrauchten. Man wird von dieser Freiheit nicht mehr sprechen, sobald sich der mechanisierte Autoverkehr durchsetzt und der Personenwagen zur vollautomatiserten Gondel wird. 

Das Auto steht indes heute, da es nach wie vor das wichtigste Fortbewegungsmittel ist, eher dafür, in Notfallsituationen gewappnet zu sein. Wenn ein Freund in der Patsche sitzt und abgeholt werden muss. Wenn die Fruchtblase geplatzt ist. Wenn für die Affäre kein Hotelzimmer bereitsteht. Man braucht es einfach in gewissen Situationen, und sei es eben in der alternativen Form eines Taxis oder Uber-Fahrers. 

Wer selten Auto fährt, wird in der Regel zum genügsamen Bahn- und Busfahrer. Er weicht aus aufs Fahrrad, auf Rollerskates oder auf diese wunderbaren Kangaroo-Sprungschuhe (allerdings rufen sie bei mir längst immer wieder den „Wetten, dass..?“-Unfall von Samuel Koch vor Augen). 

Aber wer auf einen Pkw verzichtet, der wird auch zwangsläufig zum Spaziergänger. Nicht unbedingt zum Flaneur, wie es sich eigentlich gehören sollte, aber doch zu einem Läufer, der immer wieder dieselben Strecken abgeht. 

Nach einem Streit geht es dann eben nicht auf den Rücksitz des Polos, sondern einmal um den Block. Der Weg zur U-Bahn ist stets abgesteckt und die Fußläufigkeit wird bei allen wichtigen Lebensentscheidungen mitgedacht. 

Man wäre gerne ein Stadtwanderer, aber es wird einem, zumindest in den Großstädten, nicht gerade einfach gemacht. Eng geschnittene Wege, wenige Gassen, und infrastruktuerelle Veränderungen des Gesamtverkehrs werden zwar zu Lasten des Autos, aber kaum zum Gewinn des Fußgängers gemacht. Wohl auch deshalb sind die nun überall aufgestellten Elektro-Roller gleichsam Chance und Herausforderung. Sie bieten zwar tatsächlich die Möglichkeit, in kürzester Zeit mittlere Strecken zu überwinden, werden aber doch von den meisten eher als Spielzeug verwendet. Auch deswegen parken sie viele mitten auf dem Gehweg, liegen sie ihres Akkus entleert in den Büschen. 

Doch sie fordern auch ganz anders zum Tanz auf als andere Verkehrsmittel. Autos stehen verschlossen im Parkhafen. Fahrräder sind stumm an Geländer gekettet. Aber zur Fahrt einladende Elektroroller leuchten grünlich. Sie verführen zum Cruising, zur schnellen Nutzung. Das unterscheidet sie von allen anderen Mobilitätsangeboten. 

Bislang war ich auf jeden gelaufenen Meter stolz, ich habe nie darüber nachgedacht, solche Wege anders als zu Fuß zurückzulegen (auch wenn es einem zuweilen sogar andere Spaziergänger schwer machen). Doch seit die Roller blinken, muss ich mich jedes Mal erst für das Gehen und gegen das Fahren entscheiden.

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