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Früher waren die Menschen einfacher zu erschrecken.   

The Killing Joke (5)

Die wechselseitige Abhängigkeit und die ins Wanken geratene Sicherheit über die Eindeutigkeit zwischen Gutem und Bösem, geistiger Gesundheit und Krankheit wird nur zum Teil auf der erzählerischen und figurenpsychologischen Ebene in der Batman-Trilogie von Christopher Nolan demonstriert. Der Besetzungscoup, Christian Bale als Darsteller Bruce Waynes und damit Batmans zu gewinnen, ist nicht nur deshalb konsequent, weil den Schauspieler eine beispiellose mimische Kühle bei gleichzeitiger körperlicher Dominanz auszeichnet, sondern weil er auch die Hauptrolle in der Verfilmung des vielleicht erschreckendsten Serienkiller-Romans der letzten Jahrzehnte gespielt hat: „American Psycho“. Den blutgierigen Gewalttäter Patrick Bateman verkörperte Bale mit einer ebensolchen Kühle und Eleganz wie Bruce Wayne. Und die Unterschiede zwischen dem von Schein und Geltungssucht besessenen Bateman und Batman verschwimmen nicht nur mit dem einen verschwundenen Buchstaben, sondern sie sind auch mit de

The Killing Joke (4)

So sehr es den Anschein hat, dass es sich bei der Figurencharakterisierung in Nolans „Batman“-Trilogie um eine offensichtliche Vertiefung im Vergleich zu den Comics handelt, unterliegt der Zuschauer hier einem Fehlurteil. Die Filme arbeiten ganz bewusst mit einer – allerdings klug gewählten – Oberflächenpsychologie, die Figuren ins Zentrum der Handlung stellt, die weder eine im Verlauf der Erzählung erörterte Vergangenheit haben, noch eine Persönlichkeitsentwicklung durchmachen, die nicht bezogen ist auf die Leidens- und Heldengeschichte Batmans. Sollten nicht Details der eigenen Biographie die Motivation eines Gegners des dunklen Ritters erklären, für Zerstörung zu sorgen (wie z.B. bei Bane in „The Dark Knight Rises“), so sind sie nicht von Belang und werden ausgespart. Auch die Verbündeten Batmans (der kauzige Butler und Ersatzvater Alfred Pennyworth, der ernste Commissioner James Gordon, die aufrechte Rachel Dawes, der loyale Lucius Fox) verfügen über keine eigenen nennens

The Killing Joke (3)

Immer fand sich zwischen dem verzweifelten Bösen in den Batman-Comics und der nüchternen Realität einer Verbrecherwelt hinter den Spiegeln, die mit Gefängnis, Todesspritze oder Waffengewalt in Schach gehalten werden kann, eine Demarkationslinie, die nicht überschritten werden durfte. So düster dieser Fledermausmann auch sein mochte, seine Identität als (Super-)Held leuchtete trotz aller Zweifel genauso hell auf wie das Emblem auf der dunkelgrauen Brust seines Kostüms. Diese Sicherheit – die den Comics identitätsstiftenden Charakter verleiht – wird in der Batman-Trilogie von Christopher Nolan mit unterschiedlicher Gewichtung in den drei Filmen aufgegeben.  Die Mitternachtsvorstellung im Kino in Aurora war ausverkauft. Viele Menschen freuten sich darauf, einige der wenigen zu sein, die den neuen Batman-Film noch vor dem offiziellen Filmstart sehen können. Sie hatten sich mal schräg und mal ernsthaft verkleidet und imitierten ihre Helden. Viele trugen Batman-Capes oder hatten sich T-S

The Killing Joke (2)

Der frühe Tod Heath Ledgers, der „The Dark Knight“ mit großer spielerischer Leidenschaft seinen Stempel aufdrückt, sollte nicht dazu verführen, die eigentliche Meisterschaft des Films (nur) in der differenzierten Darstellung der allseits bekannten Charaktere zu sehen. Vielmehr fasziniert die Form des Films, die sich geheimnisvoll und konsequent an der gebrochenen Identität ihrer Helden orientiert und deshalb weit über all das hinausgeht, was es bisher in diesem Genre zu sehen gab. Aber es ist höchstwahrscheinlich Ledgers schauspielerisches Vermächtnis, das den Film berüchtigt machte. Man muss Jack Nicholson vor Augen haben, wenn man an Heath Ledgers Interpretation des Jokers denkt. Man muss an die irrsinnigen Verrenkungen denken, die dem Joker in den Comics ins Gesicht fahren. Der Wahn des Jokers entlädt sich in den bunten Bildern immer erst auf den zweiten Blick, wenn ihm schon nicht mehr abgenommen wird, dass er es bitterernst meint.  Dann ist er nicht nur einer der viel

The Killing Joke (1)

Vor sieben Jahren habe ich einen Essay begonnen, den ich nicht zu Ende geschrieben habe. Am 20. Juli 2012 machte sich der damals 24-jährige James Eagan Holmes in Aurora als Clown kostümiert auf den Weg zu einem der großen Cineplexe. Dort lief gerade die erste Vorstellung von „The Dark Knight Rises“, dem letzten Teil der drei von Christopher Nolan gedrehten Filme über den dunklen Ritter. Holmes hatte eine Flinte, ein Selbstladegewehr und eine Pistole dabei. Er verschaffte sich Zutritt zum Kino, zündete eine Tränengasgranate und schoss willkürlich auf die Menschen, die sich eigentlich auf einen unterhaltsamen Abend gefreut hatten. Sie bezahlten ihn mit ihrem Leben.  Diese erschreckende Bluttat korrespondierte mit dem Höhepunkt eines neu entflammten Batman-Fiebers. Ich habe mich damals gefragt, ob die hyperreale Darstellung der Comicwelt in Nolans Filmen möglicherweise ein Spiegelbild für einen gesellschaftlichen Wandel sein könnte, der sowohl auf ästhetischer wie auf politischer Ebene

Ikigai oder: Das, wofür es sich zu leben lohnt

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  Ikigai ist eine japanische Form der persönlichen Suche nach einem Grund, warum es sich lohnt, morgens aufzustehen. Übersetzt verbindet es die Begriffe „Freude“ und „Lebensziel“. Wer sein individuelles Ikigai irgendwann in seinem Leben gefunden hat, entwickelt - so die Theorie - eine Lebensfreude, die sich auch von dunklen Wolken nicht vertreiben lässt.  Natürlich bleibt offen, welche persönlich entwickelten und welche gesellschaftlich vorgegebenen Ideale idealerweise verschmelzen bzw. jeweils bis zu einem bestimmten Punkt an das andere angepasst werden müssen, um zu einem solchen Ikigai zu gelangen. Der Begriff bezeichnet sowohl jene Gegenstände, die zu einem Zustand führen, der so etwas wie einen Lebenssinn selbstverständlich macht, als auch das Erreichen dieses Ziels. Die konkrete Grundlage für dieses spezifisch japanische Phänomen der Selbstfindung, das bereits im 14. Jahrhundert erstmals erwähnt wurde, aber sich erst in den letzten Jahrzehnten zu einem „philosophisch