The Killing Joke (1)

Vor sieben Jahren habe ich einen Essay begonnen, den ich nicht zu Ende geschrieben habe. Am 20. Juli 2012 machte sich der damals 24-jährige James Eagan Holmes in Aurora als Clown kostümiert auf den Weg zu einem der großen Cineplexe. Dort lief gerade die erste Vorstellung von „The Dark Knight Rises“, dem letzten Teil der drei von Christopher Nolan gedrehten Filme über den dunklen Ritter. Holmes hatte eine Flinte, ein Selbstladegewehr und eine Pistole dabei. Er verschaffte sich Zutritt zum Kino, zündete eine Tränengasgranate und schoss willkürlich auf die Menschen, die sich eigentlich auf einen unterhaltsamen Abend gefreut hatten. Sie bezahlten ihn mit ihrem Leben. 

Diese erschreckende Bluttat korrespondierte mit dem Höhepunkt eines neu entflammten Batman-Fiebers. Ich habe mich damals gefragt, ob die hyperreale Darstellung der Comicwelt in Nolans Filmen möglicherweise ein Spiegelbild für einen gesellschaftlichen Wandel sein könnte, der sowohl auf ästhetischer wie auf politischer Ebene sichtbar geworden ist. An der Oberfläche behandelt der Film selbst die Ängste, die vor allem die Menschen im 21. Jahrhundert quälen, unter der Oberfläche funktioniert er mit seiner Bildsprache und Erzählhaltung fast ein wenig schauderhaft und durchaus perfide nach genau den Prinzipien, die er für die Gründe der Furcht offensichtlich ausgemacht hat. 

Der Eindruck einer dreidimensionalen, überkomplexen Welt wird durch die spektakulären IMAX-Bilder (die gerade nicht nach Jahrmarktsattraktion aussehen, sondern eher schon den Trend zur virtuellen Realität vorwegnehmen) unterstützt, die mehr als einmal einer Computerspielsimulation gleichen. Zugleich wird das Gefühl einer depressiven Realität, vielmehr eines depressiven Realismus' vermittelt. Alle Figuren sind am Rande der Erschöpfung, doch nicht in der Lage, sie wahrzunehmen oder, wenn doch, wahrhaben zu wollen. 

Nun sorgt ein weiterer Film über den „Joker“ für Aufsehen. Er zeigt mit schonungslosem psychologischem Realismus eine von der Comicvoralge emanzipierte, filmisch eigenständige Entwicklung eines gescheiterten Stand-Up-Comedian mit Burn-Out-Syndrom und Lachschaden zum Killer-Clown.

Über vieles habe ich geschrieben - über einiges nicht. Die Zeit ist mir irgendwann davon gerast, der Text wurde nicht fertig, „The Dark Knight Rises“ verzog sich aus dem Kino und James Eagan Holmes wurde am 8. August 2015 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Ohne Chance auf Bewährung. Seine Tat reiht sich ein in ein unheimliches Muster neuerer Amokläufe

Batman und die Unschuld des Kinos 


Es war kein Zufall, als die Nachrichtensendungen nach dem Attentat von Aurora, in dem ein Mann, bis an die Zähne bewaffnet und mit einer Gasmaske ausgerüstet, kaltblütig 12 Menschen tötete und Dutzende schwer verletzte, vom „Batman-Amoklauf“ sprachen. In dem Kino, das sich der 27-jährige James Eagan Holmes als Schauplatz ausgesucht hatte, lief in dieser Sommernacht eine der landesweiten Erstvorführungen des Films „The Dark Knight Rises“ von Christoper Nolan.

Es ist der abschließende Teil einer Kinotrilogie, die den Mythos um den dunklen Comichelden aus Gotham City noch einmal völlig neu erzählen wollte. Nun klebt an dem dritten Teil der Filmserie das Blut eines grauenerregenden Amoklaufs, so wie an dem mittleren Teilstück des kühlen Triptychons – „The Dark Knight“ – der frühe Tod seines furchteinflößenden Joker-Darstellers Heath Ledger. Es war auch kein Zufall, dass sich Holmes ein Kino ausgesucht hatte, genauso wenig, dass darin hunderte Menschen einen Kinofilm sehen wollten, der über Monate mit kostenintensiven Werbehäppchen zum Filmevent des Jahres ausgerufen worden war.

Der Mann mit der Maske, der seine Wohnung im Angesicht der Tat mit Sprengfallen ausgestattet hatte, um die Polizisten daran zu hindern, seine Vergangenheit zu ergründen, wollte die Kriegsgeräusche des Batman-Films als Untermalung für seine persönlichen Krieg. Dieser Mann wollte sich in die Kinogeschichte einschreiben, er wähnte sich als „der Joker“ – wie er später nach seiner Festnahme einem Polizisten gestand. 

 (Es war hingegen vielleicht ein Zufall, dass Holmes den neuen Batman-Film noch nicht kannte. Er hatte einen Gefängnisaufseher nach dem Ende gefragt. Hätte er es gekannt, dann wäre ihm zumindest bewusst gewesen, dass sein filmischer Gegner mit einem gewaltigen Blitzschlag von der Leinwand verschwunden ist. Aber Holmes Gegner war nicht Batman, genauso wenig wie der Gegner des Jokers in Nolans Film Batman war. Es war die Ordnung der Realität.)

Die großen Themen, die Christoper Nolan in seinen Comic-Verfilmungen Batmans verhandelt, sind Angst, Chaos und Schmerz. Batman ist als Comic-Charakter die ideale Vorlage für eine intensive Meditation über diese Themen, werden sie doch bereits von der Comic-Vorlage seit der Erfindung des dunklen Ritters durch Bob Kane in den 1930er-Jahren als Grundlage verwendet, nicht nur die Gegner des Superhelden, sondern auch den Beschützer Gotham Citys als getriebene, ambivalent-düstere Gestalt zu zeichnen.

Will man die Batman-Filme, die seit ihrem Einbruch ins Kino 1989 von nur drei Regisseuren künstlerisch geprägt worden sind, in eine Reihe stellen, dann lassen sich auch drei verschiedene Visionen der Comic-Entität Batmans und seiner ihn umgebenden Realität ausmachen. Tim Burton hatte deutlich Wert darauf gelegt, die düsteren Schauwerte der gezeichneten Vorlage durch eine hoch-artifizielle Gestaltung ins Kino zu übertragen. Sein Batman ist als Bruce Wayne ein soignierter, etwas schweigsamer Charakter, der mit dem Cape souverän und trotzdem leicht melancholisch das Böse in Schach zu halten versucht.

Zugleich interessierte sich Burton vor allem für die Darstellung der Gegner Batmans. Schon mit „Batman Returns“ wird diesen weitaus mehr Aufmerksamkeit und auch Mitgefühl zugebilligt als dem Fledermausmann, der insgesamt von seiner Aufgabe, die Welt zu retten, etwas überfordert erscheint. Jederzeit versuchte Burton die Comichaftigkeit der Filmvorlage mit surrealen und atmosphärischen Mitteln bewusst auszustellen. Das pompös-verträumte Titelthema, komponiert von Danny Elfman, gibt Batman eine musikalische Identität, die weit über den Bekanntheitsgrad der ersten beiden Batman-Filme hinausreichte. Die Musik korrespondiert ganz und gar mit der fast gotisch anmutenden Architektur der Filmmetropole.

Joel Schumacher ersetzte nicht nur den Hauptdarsteller Michael Keaton durch Val Kilmer (und in seinem zweiten Batman-Film ausgerechnet durch George Clooney), er huldigte den Comics mit knallbunten Bildern, die letztlich dem Batman-Mythos einen Anstrich von Camp verliehen. Abermals waren es die verrückten Gegner Batmans, die mehr Raum für eine knallige Psychologisierung erhielten als der Held selbst, der im zweiten Schumacher-Film auch noch Hilfe von Sidekick Robin erhielt.

Umwehte Burtons Batman-Variation noch eine nostalgische Note – nämlich den cineastischen Blick auf eine Kunstform, die ihre goldenen Zeiten schon viele Jahre hinter sich hatte –, so erschien Schumachers Batman-Interpretation als ein lärmend-postmoderner Abgesang, der halsbrecherisch vom Comic zum Cartoon hinüber glitt und mehr an die alberne TV-Serie mit Adam West erinnerte als an die tatsächliche Vorlage. 

So kam denn nach „Batman & Robin“ lange erst einmal nichts, bis sich der Regisseur Christopher Nolan an einer neuen Adaption versuchte. Der Neubeginn ist eine Enttäuschung. Sieht man den ersten Film der Batman-Trilogie Nolans noch einmal, dann fällt auf, wie wenig präzise, ja wie umständlich er die Vorgeschichte des dunklen Ritters erzählt. Erzählskizzen aus der großen Auswahl der Comics – z.B. Frank Millers Neuerzählung der Anfänge Batmans, „Das erste Jahr“ – werden wild durcheinander gemischt, vieles wird nur angedeutet. Der Film mag damit beginnen, dass er die Ängste des jungen Bruce Wayne – verstärkt durch die Tötung seiner Eltern – intensiver als alle bisherigen Batman-Filme und durchaus kammerspielartig inszeniert. Im Zentrum steht aber die Heldenwerdung, die mit allerlei fernöstlicher Kampfkunstesoterik und Dunkle-Mächte-Bohei angereichert wird.

Das, was die Comic-Filme von Superman bis X-Men bisher definierte, wird zwar im letzten Drittel des Films in einer kruden Action-Melange beigefügt, ist aber nicht mehr als ein Lippenbekenntnis für die Zielgruppe. Vielmehr verweist der Film durchaus stolz auf seine feinmaschige Psychologisierung Batmans als tragischer Figur. Seht her, scheint der Film auszurufen, hier wird nicht nur das übliche Effektspektakel geliefert. Hier gibt es eine Botschaft, einen tieferen Sinn. Einem anderen, weniger bekannten Comic-Charakter wäre diese verkopfte Erzählweise vielleicht zum Verhängnis an den Kinokassen geworden. Relevant wurde dieser neue Batman aber erst, als die kühne Vision, die mit „Batman Begins“ nur in Ansätzen sichtbar wurde, mit der Fortsetzung „The Dark Knight“ eine dringliche Note bekam. Comic nur noch in Anführungszeichen. Ein Terrordrama mit Fledermaus in mehreren Akten.

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