The Killing Joke (2)
Der frühe Tod Heath Ledgers, der „The Dark Knight“ mit großer spielerischer Leidenschaft seinen Stempel aufdrückt, sollte nicht dazu verführen, die eigentliche Meisterschaft des Films (nur) in der differenzierten Darstellung der allseits bekannten Charaktere zu sehen. Vielmehr fasziniert die Form des Films, die sich geheimnisvoll und konsequent an der gebrochenen Identität ihrer Helden orientiert und deshalb weit über all das hinausgeht, was es bisher in diesem Genre zu sehen gab.
Aber es ist höchstwahrscheinlich Ledgers schauspielerisches Vermächtnis, das den Film berüchtigt machte.
Man muss Jack Nicholson vor Augen haben, wenn man an Heath Ledgers Interpretation des Jokers denkt. Man muss an die irrsinnigen Verrenkungen denken, die dem Joker in den Comics ins Gesicht fahren.
Der Wahn des Jokers entlädt sich in den bunten Bildern immer erst auf den zweiten Blick, wenn ihm schon nicht mehr abgenommen wird, dass er es bitterernst meint.
Dann ist er nicht nur einer der vielen Knallchargen, mit denen Batman konfrontiert wird, sondern ein eiskalter Killer, der sogar Batmans Gehilfen Robin auf dem Gewissen hat.
Der Joker ist die Paradefigur der abgründigen Schurken in der Comicwelt Batmans, vielleicht ist er sogar die weltweit bekannteste Manifestation eines Comic-Finsterlings. Jack Nicholson spielt diesen garstigen Mörder mit einer schelmischen Lust am Bösen. Aber es ist eine Lust am cartoonesken Bösen, das sich mit jeder neuen Episode, ganz wie in der berühmten Batman-Fernsehserie der 1960er, auflöst und schon eine Woche später wieder neu und im alten Glanz erscheint.
In Tim Burtons Batman-Variation ist der Joker eine strahlende, kraftmeiernde Figur, die sich Gotham City aus Machtgier und Freude am Bösen unter den Nagel reißen will. Viel Zeit wird der Vorgeschichte des Jokers gewidmet, wie durch einen Unfall seine Haut zu einem grässlichen Weiß erstarrte. In einer Szene sieht man ihn in einen Spiegel blicken. Sein Schicksal ist weder ihm noch dem Zuschauer bewusst. Als er sein entstelltes Antlitz erkennt, fängt er an, wie besinnungslos über sich zu lachen. Es ist ein verrücktes, groteskes Lachen.
Der Joker, den Heath Ledger darstellt, kann nicht über sich lachen. Er ist ein von Wahn getriebener Verbrecher, der nur ein Ziel hat: Chaos zu stiften. Seine Verbrechen verübt er nicht aus Lust an der Zerstörung. Es drängt ihn nicht nach Reichtum. Er verbrennt das Geld, das er gestohlen hat.
Nein, dieser Joker ist keine Ausgeburt der Comicwelt. Mit ihm werden Abgründe sichtbar, die sich in den wochenweise erscheinenden Heften nicht darstellen ließen. Dieser Joker ist das notwendige Böse, der fleischgewordene todessüchtige Attentäter ohne Gewissen. Mit diesem Joker ist nicht zu scherzen.
Das deutet jede Szene an, in der Ledger mit gequälten Worten und scharf verzerrter Miene in Erscheinung tritt.
Die Batman-Saga von Christoper Nolan ist oft für ihre wuchtige Realitätsnähe gelobt worden. Kritiker fanden in den Katastrophenszenarien der Trilogie, die jeweils eine ganze Stadt, nämlich Gotham City, dieses an New York gemahnende Großstadt-Hologramm, an den Rande des Abgrunds brachte, eine politische Metaphorik widergespiegelt, die sich an der von 9/11 wundgeschlagenen Identität Amerikas orientierte.
Eine Stadt in Angst vor irrsinnig gewordenen Amokläufern, die eine Bedrohung darstellen, die kaum dadurch gebannt werden könnte, wenn sie nur ins Gefängnis gesteckt würden. Aber auch eine Stadt in großen Zweifeln über ihren nächtlichen Helfer und Verteidiger der Gerechtigkeit.
Wer ist dieser Batman und was bezweckt er? Über die Rolle des dunklen Ritters ist in den Comics über viele Jahrzehnte intensiv nachgedacht worden. Schon hier wird die Figur als gebrochene Schutzmacht gezeichnet, die das Böse erst durch ihre unheimliche, schattenhafte Präsenz (und aufgrund ihrer aseptischen und auch deswegen nicht zu hinterfragenden moralischen Überlegenheit) aus den Kanallöchern hervorlockt.
Batman erscheint nicht nur als Bewahrer des Guten, sondern auch als mitunter spielerische Herausforderung für das Böse, ihn, als Personifikation eines überkorrekten moralischen Gewissens, beiseite zu schaffen.
Batman wäre arbeitslos ohne seine Gegner – und diese blieben nichtsnutzige Groß- oder Kleinkriminelle ohne sein Wirken, gar nicht erst besessen von der Idee, Unheil anzurichten, das möglichst viele Menschen verletzt. Spiegelt sich in Superman ,der anderen großen DC-Figur, Amerikas notorischer Stolz auf die eigene Rolle als Bewahrer eines christlichen Humanismus (gleichzeitig auch eine kraftstrotzende Handlungspotenz, die keine Grenzen kennt), so ist Batman die geeignete Bildervorlage, die Ängste einer ganzen Nation im Kleinen zu bündeln. Einer, der die Furcht auf introvertierte Art und Weise erst verschluckt, um sie dann zu sublimieren. Der Kampf gegen das Böse ist deshalb im Fall von Batman radikal anders motiviert als bei Superman, Green Lantern, Captain America und Spiderman.