The Angriest Man In The World


Leider fehlt mir das Talent zum Zeichnen. Doch wenn ich einen Comicstrip entwickeln würde, dann könnte er nur ein Thema haben: Wut. Keine Gefühlsregung beherrscht die Menschen in diesen Zeiten so sehr. Überall aufgestellte Nackenhaare, sich blähende Nüstern und puterrote Gesichter. Manchmal braucht es nur ein simples Stichwort und grundgute Kreaturen fahren aus der Haut.

Ich weiß nicht, warum das so ist - aber die Omnipräsenz solchen nicht selten hirnlosen Ingrimms birgt erstaunlich komisches Potenzial. Jemand, der seinen Zorn hinausblökt, macht sich immer lächerlich. Egal, ob er nun recht hat mit seiner Raserei oder nicht. Zorn kennt keine Dezenz, er wiederholt performativ stets dieselben Gesten und Geifereien und ist daher immer theatralisch. Das macht ihn verdächtig. Und auf eine abstrakte, tragikomische Art erkenntnisstiftend.

In meinem Comicstrip würde es nur einen Schauplatz geben: das ausgesprochen große, gemütlich anmutende Sofa einer kleinen Familie. Auf der linken Seite sitzt die gelangweilte, vielleicht auch vom quälenden Doppel-Alltag zwischen Job und Haushalt zerriebene Frau. Auf der rechten Seite nimmt ein mit ihrem Smartphone beschäftigtes, arg pubertierendes Mädchen Platz. Neben ihr putzt schließlich ein flauschiges Kätzchen auf einem eigenen Tuch mit eingraviertem Haustiernamen („Perle“) ihr Fell.

Ein Mann flippt aus


Familienmanagerin, Tochter und Mieze bleiben in jedem einzelnen Strip, der aus drei Panels besteht, stets schweigsam. Doch in der Mitte der schon etwas vom Leben zerscheuerten Couch sitzt der mit einer Flasche Bier in der Hand ausgestattete und mit Hausshirt und Trainingshose notdürftig eingekleidete Häuptling. Er mag über etwas nachgrübeln, das ihn schon seit einiger Zeit beschäftigt. Möglicherweise sieht er aber auch etwas in den Fernsehnachrichten, das ihm die Magensäure ansteigen lässt.

Zunächst protokolliert der Wüterich nur seine sorgsam zusammengeklaubten Vorurteile, bis er sich allmählich in einen immer anderen, aber jedesmal wieder geradezu erschreckenden Groll hineinsteigert. Und das immer und immer wieder, mit jedem Comicstrip noch einmal - in diabolisch-grinsender Repetition, ohne dass auch nur eine Sequenz geändert wird. Das widert die Frau des peinlichen Cholerikers gehörig an, dem Teenager verlangt es nicht einmal eine minimale Regung ab.

Der Stubentiger entzieht sich schließlich dem haarsträubenden Szenario und nimmt Reißaus.

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