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Facebook - eine Stilkritik


Eines überrascht dann doch: Gerade die Möglichkeiten, sich selbst darzustellen, sind bei Facebook nur auf erbärmlichen Niveau möglich. Über Bilder und kurze Texte hinaus, die Tag um Tag die Chronik säumen, bleibt kaum Raum für eine sinnvolle Textauswahl eigener Interessen, Bedürfnisse und Lebenswahrheiten. All das bleibt hinter den Kommentaren von Freunden zu drolligen Bildchen oder hinterlegten Alltagsgeschichten zurück. Lediglich das Interesse für die massenkompatiblen „Künste“ wird bildmächtig inszeniert. Da kann jeder Nutzer aus einer prallgefüllten Palette auswählen, was ihm gefällt, noch ein Bildchen dazu und schon weiß jeder, dass man „Ted“ genauso gerne hat wie „Big Bang Theory“. Aber welche Rolle spielen religiöse Überzeugungen oder politische Aktivitäten, wenn sie schon vom System auf die hinteren Plätze verdrängt werden?
Ein Profilbild darf vor einer meist als Fototapete missbrauchten Designwand hervorlugen, steht dieser aber hilflos gegenüber. Selbst programmierte oder gezeichnete Designs, die der eigenen Chronik eine gewisse Eigenständigkeit und so überhaupt einen Wert verleihen würden, sind Tabu. Es herrscht der eintönige weiß-zuckerbergblaue Farbmatsch ohne klare Konturen. 

So sehr immer noch die Begeisterung darüber überwiegt, sich selbst letztgültig ins nimmermehr vergessende Netz zu speisen, einer dann doch wirklich individuellen Selbstdarstellung, vorzugsweise auch geprägt von der Fähigkeit, sich selbst überhaupt so inszenieren zu können, dass es einen Mehrwert für jene hat, die man kennt UND jene, die man nicht kennt, stehen die Programmierer von Facebook kläglich im Weg.

Passend dazu bietet das Netzwerk auch nicht die Möglichkeit an, über die Website ein eigenes Blog zu integrieren. Um wie vieles anspruchsvoller geriete die individuelle Darstellung, wenn ein Gedankenraum eröffnet würde, der von jedem Nutzer auf eigene Art und Weise gefüllt werden könnte? Facebook könnte mitsamt seinen üblichen Formatspielereien Nutzer zu Bloggern machen, die dies bisher nie in Erwägung gezogen haben. Das Blogging stünde dem sich ständig erweiternden Informationsstrom auch als feststehende – beruhigte – Quelle gegenüber und würde der Bedeutungslosigkeit der vielen flüchtigen Posts etwas hinzufügen, das eine längere Halbwertszeit hat als der nächste vom Handy aus ins Netz gedrückte Beitrag.

Überhaupt trägt die Darstellung der eigenen Beiträge niemals der Bedeutung Rechnung, die sie in dem Moment der Einstellung haben. Warum können wichtige, weniger wichtige und kaum bedeutsame Beiträge nicht der Größe nach oder mit besonderen typographischen Eigenheiten veröffentlicht werden? In Wahrheit ist Facebook doch ein Nachrichten- und Informationsreservoir – auch wenn die direkte Kommunikation im Vordergrund steht und eine Reaktion auf jeden eingestellten Beitrag sofort möglich ist. 

Auf diesem Weg würde vielleicht auch der obszönen Dominanz der Bilder auf Facebook Einhalt geboten. Mittlerweile kommen auf jedes Wort, das ins Netzwerk eingespeist wird, mindestens zwei Bilder. Nicht nur die Server müssen unter der Last der Urlaubsimpressionen und Katzenanekdoten ächzen, sondern auch die Augen. Hier wäre es schöner und zweckmäßiger, wenn die Bilderflut durch ein Relevanzsystem geordnet würde und all die verwackelten Restaufnahmen, die der Einfachheit halber gleich mit in die Datenwolke geschossen werden, auf die hinteren Plätze verwiesen würden.

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