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Facebook - eine Stilkritik
Für die mit wundersamen Vokabeln erleuchtete Produktpalette von Apple wird immer gerne angeführt, dass sie schon allein deshalb die Menschheit einen Schritt voranbringt, weil sie Technik mit formvollendetem, schönem Design zusammengeführt hat. Der große Mehrwert besteht also nicht darin, dass nun mit Telefonen im Internet gesurft werden oder die Tageszeitung auf den Knien mit wenigen Mausklicks durchgeblättert werden kann, sondern dass dem Auge dafür auch etwas geboten wird und dass die ästhetischen Bedürfnisse der Seele, sich an Schönem delektieren zu wollen, nachhaltig befriedigt werden.
Wo einst hässliche Fabrikgehäuse aus billigem Plastik in langweilige Formen gepresst wurden, soll nun ausgerechnet der blechernen Mikrochipindustrie die Rettung des Schönen und Wahren gelingen.
Wahlweise die Rettung der Demokratie (wenn es wieder mal einen Volksaufstand gibt und auf die irrsinnig schnellen Vernetzungsmöglichkeiten mittels sozialer Netzwerke verwiesen wird) oder ihre Erosion (wenn über den heimtückischen Datenkraken gewettert wird, der mit seinen Tentakeln die Privatsphäre der Nutzer begrapscht, um ein paar Werbefirmen glücklich zu machen) wird hingegen dem anderen Big Player der schönen neuen Welt in die Schuhe geschoben. Facebook ist umkämpfter Schauplatz für die Ideologie eines neuen Zeitalters, das der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt nicht treffender hätte formulieren können: Wenn es etwas gibt, von dem man nicht wollte, dass andere etwas davon erfahren, sollte man es vielleicht gar nicht erst tun.
Wenn im Kampf um die Massen nicht nur die usability eine einnehmende Rolle spielt, sondern auch der ästhetische Spielraum, der den Konsumenten etwas an die Hand gibt, worauf sie ungern verzichten mögen, dann muss die Menschenfängermaschine aus dem Studentenlaptop Mark Zuckerbergs wie ein resolutes Gegenbeispiel aller Gedankenspiele über Wert und Einfluss hübschen Designs und makelloser Darstellungskunst gelten.
Facebook ist hässlich gestaltet, oftmals kompliziert zu bedienen und rundherum langweilig zu betrachten. Eigentlich ist das soziale Netzwerk eine ästhetische Zumutung.
Es ist an der Zeit, Facebook daran zu erinnern, womit es eigentlich Handel treibt. Freundschaften definieren sich wenig überraschend nicht nur über die Quantität ihrer gemeinsam verbrachten Zeit, sondern vor allem auch über die Qualität. In Zeiten flexiblen Arbeitens und Wohnens ist es durch das Internet zwar so einfach wie nie, Kontakt zu halten, doch kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es immer schwerer wird, den Menschen, die man liebt, häufig genug von Angesicht zu Angesicht gegenüber sitzen zu können. Wenn allerdings die Chance dazu besteht, dann will dies auch genutzt werden. Man will eine schöne Zeit an schönen Orten verbringen.
Wäre Facebook wirklich ein zeitgemäßes Instrument, mit dem auf hohem Niveau mit Menschen kommuniziert werden könnte, dann hätte es ein anderes grafisches Antlitz – dann wäre es ein behaglicher Ort. Oder anders ausgedrückt: Wer einen Freund lange nicht gesehen hat, der lädt ihn nicht in eine überfüllte Pinte ein, in dem die Wände mit Memorabilien und kitschigen Fotos zugekleistert sind, die Kellner kaum auf die Gäste achtgeben, der Küchenchef sich niemals blicken lässt und der Rest der Gästeschar beständig auf das Essen anderer stiert, als wäre das eigene verdorben. Genau solch ein ungastlicher virtueller Ort will Facebook aber sein: ein scheußliches Avatarium, das kaum dazu einlädt, in künftigen Jahren über die glückliche gemeinsame Zeit zu reflektieren, die man dort verbracht hat.