Off The Wall
Mit dem Tod Michael Jacksons beklagen wir nicht nur den Verlust eines überragend talentierten Künstlers, dessen musikalische Omnipotenz sicherlich nicht erst mit Invincible beinahe verschwunden war, sondern vor allem den einer Kunst- und Erlöserfigur. In der vielleicht ergreifendsten Trauerfeier, die je einem Künstler zuteil geworden ist – angeblich perfekt inszeniert, vielmehr aber perfekt gelungen, in Deutschland zunächst von den großen Sendern übertragen, dann aber kleinkarierterweise an die Spartensender abgegeben – wurde ganz deutlich, von tiefer religiöser Metaphorik erhellt, welche Bedeutung diese Ikone für die meisten Menschen hat, und wenn es sich auch nur um eine geahnte Bedeutung handelt. Man beschwor seine Einzigartigkeit, die ihn tatsächlich, noch weit über den Topseller Elvis Presley hinaus, zu einem Fremden auf Erden machte. Eine Märchenfigur. Einer, der garantiert nicht einfach vor die Tür gehen konnte, um sich ein Eis zu kaufen. Einer, der immer und überall entdeckt wurde. Zugleich ein Held der Massen, nicht nur in der westlichen Welt, so wie Marilyn Monroe oder John Lennon. Mit ihnen teilt er das Pantheon der großen, letzten Stars, die merkwürdigerweise immer seltener werden. Vielleicht auch, weil sie nicht mehr das tragische Potential dieser Außenseiter besitzen, die immer das Beste aus sich herausziehen wollten.
Aber womöglich steht Michael Jackson, von dem man nun ganz konkret sagen kann, dass er ein Utopist war (vielleicht ist es das Schlechteste, was man über unsere Zeit sagen kann, dass wir unsere Großen immer erst postum zu Utopisten erklären können), einer der letzten, ehrlichen, allein auf einer Sprosse über all jenen, die noch kommen und vergehen werden, weil er zur Sehnsuchtsfigur werden konnte, die alles Gute in die Welt tanzen und singen wollte. Ob dies viel mit dem tatsächlichen Michael Jackson zu tun hat, ist nebensächlich und wurde im Staples Center ganz eindrucksvoll mit den Worten ausgedrückt: Solange keine Schuld bewiesen werden kann, ist man unschuldig. Damit wären auch die düsteren Seiten verdeckt, wie es sich für letzte Worte gehört. Sicher fällt es auch leicht, im Angesicht des Verlustes nur die positiven Seiten eines Menschen zu erwähnen. Und die Trauerzeremonie von Los Angeles bemühte sich auch sehr darum, vom Menschen Michael Jackson zu reden. Aber diesen Menschen gab es wahrscheinlich schon seit Thriller, spätestens seit der auch heute noch eigenartigen Transformation zu einem Mischwesen aus Schwarz und Weiß, Mann und Frau nicht mehr. Der Mythos Michael Jackson, von dem jetzt überschwänglich gesprochen wird, kann keinen Blick mehr auf den Menschen richten. Er zentriert und erneuert die Idee eines amerikanischen Traumes. Er spricht von einer Traumfigur. Aber vielleicht ist die Trauer, auch unter denen, die mit Michael Jacksons Musik nie so recht etwas anfangen konnten, auch deshalb so groß, weil sie glauben, den letzten seiner Art verloren zu haben. Wenn Jackson der King of Pop war, so folgt seiner Monarchie die Massendemokratisierung eines Mediums, das diese Trostfunktion, die der Man In The Mirror für sich beanspruchen konnte, gar nicht mehr für sich behaupten kann und möchte.
Die religiöse Inbrunst dieser Abschiedsgala, die aus der erwarteten pompösen Feier einen Gospelabend und eine echte Messe machte, verrät auch die erst auf den zweiten Blick ernst zu nehmende Bedeutung Michael Jacksons als Erlöser und Heiler der Welt. Man mag seinen Balladen vorwerfen, sie seien sentimental, sogar abgeschmackt, aber sie entwerfen in ihrer Heilsforderung auch das Bild einer Welt, die dringend Hilfe benötigt. Hier geht der Künstler Jackson weit über die Peripherie des Pop hinaus. Er postulierte als Künstler eine neue Zeitrechnung, in der die Menschen friedlich miteinander in Koexistenz leben wollen. Er selbst versuchte diesen Forderungen selbst noch in den für ihn bezwingenden Momenten seines Lebens nachzugehen. Es sind Forderungen, die der Popmusik zumeist fremd sind, fremd sein müssen. Aber auch Forderungen, die der Politik, wenn sie ihr nicht schon immer fremd waren, inzwischen abgehen. Jeder kann aus sich das Beste machen, selbst wenn er ein kleines Bäumchen in einem tiefen Tal ist. Dann wird er eben das schönste kleine Bäumchen in diesem Tal. So oder so ähnlich beschworen seine engsten Freunde und Familienmitglieder die Philosophie des Popgiganten. Darin erklingen die Worte von Jesus Christus. Darin finden wir eine Botschaft, die wir nicht von Michael Jackson zum ersten Mal hören – so wie man sie einst auch nicht von Jesus Christus zum ersten Mal hörte – aber die wir durch den Künstler, durch seine schillernde Existenz, ernst nehmen wollen. Übrigens Worte, die vom Werden sprechen. Die Popmaschinerie verliert vielleicht auch deshalb zunehmend an Bedeutung, weil sie ihren Ursprung in der Erlöser- und Heilsmythologie (selbst die größten Outlaws und Underdogs sind aus dieser Sicht als Erlöser zu verstehen) zugunsten eines blinden Persönlichkeitskults, der immer vom Sosein und nie vom Werden spricht, einfach aufgibt. Die großen Fragen, die nun bleiben, stellen sich also so:
Bietet der Pop in heutigen Zeiten die Möglichkeit einer friedlichen Gemeinschaft auf Basis ähnlicher (musikalischer/künstlerischer) Interessen oder ist dies eine völlig verfehlte, auch kommerziell auszunutzende These, mit der sich die Pop-Industrie immer wieder ihrer eigenen Relevanz versichert?
Muss man sich nach Michael Jacksons Tod die Frage stellen, ob mit ihm auch die Pop-Musik (zumindest aber jene, die sich mit den 80er Jahren etablierte) beerdigt wird?
Haben nicht wir, die sehnsuchtsvollen Rezipienten, das tragische Schicksal dieses Mannes erst herbeigezwungen, in dem wir immer wieder von ihm verlangten, die Regeln des Showbusiness von Aufstieg, Heldentum, Fall, Comeback bis zur Grenze des eigenen, menschlichen Fassungsvermögen zu wiederholen oder war es Jackson selbst, der ganz übermenschlich von sich selbst verlangte, immer wieder an einen Höhepunkt zu gelangen, der eigentlich unmöglich zu erreichen war?
Wenn also der Tod des King Of Pop aufrütteln soll, so wie er ja auch Millionen zu Tränen und sogar tiefer Trauer animierte, dann müssen Fragen bleiben. Die Antworten wird weiterhin seine, nun endgültig unsterbliche, Musik geben.
Aber womöglich steht Michael Jackson, von dem man nun ganz konkret sagen kann, dass er ein Utopist war (vielleicht ist es das Schlechteste, was man über unsere Zeit sagen kann, dass wir unsere Großen immer erst postum zu Utopisten erklären können), einer der letzten, ehrlichen, allein auf einer Sprosse über all jenen, die noch kommen und vergehen werden, weil er zur Sehnsuchtsfigur werden konnte, die alles Gute in die Welt tanzen und singen wollte. Ob dies viel mit dem tatsächlichen Michael Jackson zu tun hat, ist nebensächlich und wurde im Staples Center ganz eindrucksvoll mit den Worten ausgedrückt: Solange keine Schuld bewiesen werden kann, ist man unschuldig. Damit wären auch die düsteren Seiten verdeckt, wie es sich für letzte Worte gehört. Sicher fällt es auch leicht, im Angesicht des Verlustes nur die positiven Seiten eines Menschen zu erwähnen. Und die Trauerzeremonie von Los Angeles bemühte sich auch sehr darum, vom Menschen Michael Jackson zu reden. Aber diesen Menschen gab es wahrscheinlich schon seit Thriller, spätestens seit der auch heute noch eigenartigen Transformation zu einem Mischwesen aus Schwarz und Weiß, Mann und Frau nicht mehr. Der Mythos Michael Jackson, von dem jetzt überschwänglich gesprochen wird, kann keinen Blick mehr auf den Menschen richten. Er zentriert und erneuert die Idee eines amerikanischen Traumes. Er spricht von einer Traumfigur. Aber vielleicht ist die Trauer, auch unter denen, die mit Michael Jacksons Musik nie so recht etwas anfangen konnten, auch deshalb so groß, weil sie glauben, den letzten seiner Art verloren zu haben. Wenn Jackson der King of Pop war, so folgt seiner Monarchie die Massendemokratisierung eines Mediums, das diese Trostfunktion, die der Man In The Mirror für sich beanspruchen konnte, gar nicht mehr für sich behaupten kann und möchte.
Die religiöse Inbrunst dieser Abschiedsgala, die aus der erwarteten pompösen Feier einen Gospelabend und eine echte Messe machte, verrät auch die erst auf den zweiten Blick ernst zu nehmende Bedeutung Michael Jacksons als Erlöser und Heiler der Welt. Man mag seinen Balladen vorwerfen, sie seien sentimental, sogar abgeschmackt, aber sie entwerfen in ihrer Heilsforderung auch das Bild einer Welt, die dringend Hilfe benötigt. Hier geht der Künstler Jackson weit über die Peripherie des Pop hinaus. Er postulierte als Künstler eine neue Zeitrechnung, in der die Menschen friedlich miteinander in Koexistenz leben wollen. Er selbst versuchte diesen Forderungen selbst noch in den für ihn bezwingenden Momenten seines Lebens nachzugehen. Es sind Forderungen, die der Popmusik zumeist fremd sind, fremd sein müssen. Aber auch Forderungen, die der Politik, wenn sie ihr nicht schon immer fremd waren, inzwischen abgehen. Jeder kann aus sich das Beste machen, selbst wenn er ein kleines Bäumchen in einem tiefen Tal ist. Dann wird er eben das schönste kleine Bäumchen in diesem Tal. So oder so ähnlich beschworen seine engsten Freunde und Familienmitglieder die Philosophie des Popgiganten. Darin erklingen die Worte von Jesus Christus. Darin finden wir eine Botschaft, die wir nicht von Michael Jackson zum ersten Mal hören – so wie man sie einst auch nicht von Jesus Christus zum ersten Mal hörte – aber die wir durch den Künstler, durch seine schillernde Existenz, ernst nehmen wollen. Übrigens Worte, die vom Werden sprechen. Die Popmaschinerie verliert vielleicht auch deshalb zunehmend an Bedeutung, weil sie ihren Ursprung in der Erlöser- und Heilsmythologie (selbst die größten Outlaws und Underdogs sind aus dieser Sicht als Erlöser zu verstehen) zugunsten eines blinden Persönlichkeitskults, der immer vom Sosein und nie vom Werden spricht, einfach aufgibt. Die großen Fragen, die nun bleiben, stellen sich also so:
Bietet der Pop in heutigen Zeiten die Möglichkeit einer friedlichen Gemeinschaft auf Basis ähnlicher (musikalischer/künstlerischer) Interessen oder ist dies eine völlig verfehlte, auch kommerziell auszunutzende These, mit der sich die Pop-Industrie immer wieder ihrer eigenen Relevanz versichert?
Muss man sich nach Michael Jacksons Tod die Frage stellen, ob mit ihm auch die Pop-Musik (zumindest aber jene, die sich mit den 80er Jahren etablierte) beerdigt wird?
Haben nicht wir, die sehnsuchtsvollen Rezipienten, das tragische Schicksal dieses Mannes erst herbeigezwungen, in dem wir immer wieder von ihm verlangten, die Regeln des Showbusiness von Aufstieg, Heldentum, Fall, Comeback bis zur Grenze des eigenen, menschlichen Fassungsvermögen zu wiederholen oder war es Jackson selbst, der ganz übermenschlich von sich selbst verlangte, immer wieder an einen Höhepunkt zu gelangen, der eigentlich unmöglich zu erreichen war?
Wenn also der Tod des King Of Pop aufrütteln soll, so wie er ja auch Millionen zu Tränen und sogar tiefer Trauer animierte, dann müssen Fragen bleiben. Die Antworten wird weiterhin seine, nun endgültig unsterbliche, Musik geben.