Also sprach Stanley Kubrick

In einer Fernsehwelt, die sich mit grenzdebilen Reality-Show-Experimenten über Wasser hält, in der Show alles ist und Nachrichten zum Infotainment gewandelt werden, gilt der Film, ja das Kino schlechthin, nicht mehr viel. Hollywood-Blockbuster werden zu Programmhöhepunkten stilisiert, Fernsehfilme vor dem Publikum versteckt. Cineastisches Kleinod wird regelrecht verbannt auf die hintersten Plätze, kurz nach Mitternacht, wo sonst nur noch splitternackte Frauen reichlich dümmliche Quizshows moderieren.

Es steht schlecht um den Film im Fernsehen – nicht nur wegen derartiger Trashauswüchse, die an Erbärmlichkeit kaum zu übertreffen sind. Die teuer produzierten TV Serien aus den USA graben dem europäischen Kino- und TV-Film genauso wie den deutschen Serien das Wasser ab, weil sie qualitativ hochwertig sind und zugleich fesselnder. Sie bieten größeren Identifikationsraum und Zerstreuung, da die Konzentration fürs große Kino nicht mehr reicht.

Wenn das Arthouse-Kino, europäische Autoren- oder Experimentalfilme irgendwo eine Heimat finden, dann sind es meist die Sender arte und 3sat, die sich deren Radikalität mutig annehmen – und schlechte Quoten riskieren können. Aber gibt es noch den großen, weitläufigen, notwendigerweise tiefen Einblick in das Kunst-Kino – in die Kino-Kunst?

Retrospektiven sterben als Prinzip der Kunstauslese und ebenso als Interpretation aus. Das Erste sendet manchmal nach Mitternacht am Sonntag einige wenige Filmperlen, gut versteckt nach den Nachtnachrichten. Da kommt es auch manchmal vor, dass eine kleine Filmreihe Regisseure oder Filmgenres würdigt. Nun will die ARD auf diesem Sendeplatz neuartige Showformate antesten.

Das ZDF bietet mit seiner Sendereihe Das kleine Fernsehspiel jungen deutschen Regisseuren die Möglichkeit, ihre oft vor nur wenigen Hundert Zuschauern im Kino gestrandeten Debütfilme vor großem Publikum vorzuführen – meist nach 23 Uhr! Die dritten Programme haben als feste Instanz Das Debüt im Dritten integriert. Ein Programmschwerpunkt, der nur Filmliebhabern bekannt sein sollte. Das Vierte, Tele 5 – jene ominösen Spielfilmsender – zeigen immer und immer wieder die selben ausgeleierten US-Filmchen und wenn dann ein kleiner Film wie Funny Games von Michael Haneke anläuft, dann wird er bis zum Erbrechen wiederholt, ohne Sinn und Verstand mit Werbung (Sextrailer – es ist ja nach Mitternacht) zugemüllt.

Es sind tatsächlich nur noch 3sat und arte, die sich auf einen Schwerpunkt einlassen wollen. Selbst Popkulturelles, geboren und verfochten von einem Schnipselsender wie MTV, hat heute eine wohligere Heimat bei Sendungen wie tracks oder bei Musikmarathons wie pop around the clock. Wenn 3sat dem Trickfilm eine Woche lang Freiraum schenkt, seine subversive Kraft zu entfalten (und kleine Meisterwerke wie Das große Rennen von Belleville Premiere feiern) und arte Themenabende zu Jacques Tati anbietet, dann sind das gebührenfinanzierte Ausnahmen.

Arte wagt nun mit einer der umfassendsten Retrospektiven der letzten TV-Jahre dem Meisterregisseur Stanley Kubrick einen Raum zu geben, um eine neue Generation zu beeindrucken. Gleich zehn seiner Filme von Killer’s Kiss bis Eyes Wide Shut werden gezeigt. Dieser Mut, sich auch auf die Ideenvielfalt eines Künstlers einzulassen, seine Widersprüche und seine Glanzpunkte auszuloten und auch mit entsprechendem Stolz zu begleiten, ist bemerkenswert. Es lohnt sich, in diesem Rahmen die Filme Kubricks noch einmal neu kennen zu lernen.

Solche Filme verändern ihr Antlitz von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Das unterscheidet sie von der Massenware, die all die großen Fernsehanstalten verstopft: Sie bietet nur noch Gesprächsstoff für den nächsten Tag.

STANLEY KUBRICK
Filmreihe (arte)

FULL METAL JACKET
1. November, 20.40

BARRY LYNDON
5. November, 20.40

DIE RECHNUNG GING NICHT AUF
7. November, 23.25

WEGE ZUM RUHM
8. November, 20.40

2001: ODYSSEE IM WELTRAUM
12. November, 20.40

UHRWERK ORANGE
14. November, 23.10

DR. SELTSAM ODER WIE ICH LERNTE, DIE BOMBE ZU LIEBEN
15. November, 20.40

LOLITA
19. November, 20.40

STANLEY KUBRICK – EIN LEBEN FÜR DEN FILM
21. November, 22.30

DER TIGER VON NEW YORK
21. November, 0.40

EYES WIDE SHUT
22. November, 20.40

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