Gelbfieber
Eine kritische Betrachtung der Simpsons vor dem Eintritt ins Kino
Anschwellende Musik, einige Linien, gelb und rot, eine Stimme, die auf das Rückkehren des größten Helden der amerikanischen Geschichte verweist. Schwenk vom Superman-Dress zu Homer Simpson, der hilflos sagt: „I forgot what I supposed to say!“
Die Simpsons werden es auf die große Leinwand schaffen. Und der erste Trailer, der beinahe beiläufig Aufregung provoziert hat, beweist die große Sprengkraft kulturreflexiver, subversiver Dimension, wenn zunächst auf das Comeback Supermans angespielt wird, die Simpsons ursächlich gemeint sind und deren tragender Held vergisst, was er zu sagen hätte.
Matt Groening, der große Schöpfer der noch größeren, wichtigsten Zeichentrickserie aller Zeiten hatte ein halbes Leben lang darauf bestanden, dass ein Kinofilm ein endgültiger Abschluss seiner Serie wäre. Ein Film würde sozusagen das Gesamtwerk abrunden, es veredeln und damit endgültig unsterblich machen. Diese Einstellung stammt aus den goldenen Zeiten der Gelben, die vornehmlich in den 90er Jahren anzusiedeln sind. Damit wären wir gleich bei dem Problem: Die Simpsons, jene Kulturinstitution, die mit Boshaftigkeit und postmoderner Verve den American Way Of Life endgültig parodierten und den amerikanischen Traum auf einem Trümmerhaufen von Zitaten aus Kunst und Popkultur begruben, haben ihren Zenit bei weitem überschritten.
Dies ist besonders tragisch, weil sich hinter dem gelben Zeichentrickkosmos eine unsterblich komische Ressource von kreativer Energie verbarg. Diese schöpfte aus dem gigantischen Fundus einer aus den Fugen geratenen, geschichtslosen Welt, die den Schein verehrt und die Dummheit anbetet. Die Simpsons kommentierten nur diesen jämmerlichen Zustand mit pointierter Schärfe und sowohl tiefenpsychologischer als auch soziologischer Interpretationslust. Dieses hinreißende Gemisch aus Gesellschaftskritik, Verehrung von Kulturgöttern und dem präzisen Blick auf das Alltägliche zeichnete sich nie durch großartige Geschichten aus. Aber meist waren es brillante Gagfeuerwerke und rührende Momente menschlichen Miteinanders (denn trotz ihrer dysfunktionalen Außenwirkung hielten die Simpsons immer die Kraft der Familie hoch), die Sternstunden des Fernsehens ausmachten. Heute haben die Simpsons nur noch selten Sternstunden – wenngleich die Serie erfolgreicher ist als je zuvor. Zwei treffsichere Gründe für eine Kinoverwertung.
Konzipiert erschienen die Figuren einstmals als wagemutige, intelligente Typenzeichnungen und gleichzeitige Parodien auf Vertreter bestehender Bevölkerungsschichten. Bart als ewig verlierender Underachiever, Homer als trotteliger Über- und Untervater, der dennoch das Höchste erreicht (unvergessen eine Episode, in der ein gewisser Frank Grimes – ein Unglücksrabe, der sich im Leben alles erkämpfen musste und doch nichts hat – Homer als unverdienten Hans im Glück entlarvt und in seiner Wut auf diesen gesellschaftlichen Zustand zu Tode kommt), Marge als treusorgende Hausfrau, die dennoch emanzipative Züge annehmen darf, Lisa als verkanntes Genie, das wie eine Rose aus dem Misthaufen wächst und Maggie, die sprachlos als Symbol für die Nichtbeachtung der Kleinsten stehen mag. Und dann wären dann noch die so lieb gewonnenen Nebendarsteller, die so zahlreich sind, dass eine Aufzählung nur der Bekannteren Kopfschütteln über die schiere Zahl verursachen würde.
Darin lässt sich aber das Geheimnis der Simpsons ausmachen. Figuren, die als Hüllen fungieren konnten, durch die Ursächliches sichtbar wurde, durch die Glanzlichter der Kulturgeschichte parodiert werden konnten und durch die vor allem soziale Reflexe repräsentiert werden sollten. Nachbarfamilie Flanders als großherzige, christianisierte Antipode zu den Simpsons (und ein Ned Flanders als grenzenlos von sich überzeugter Supervater, der mit Homer immer wieder aneinander gerät), Mr. Burns als Chefdiktator, gestraft von körperlicher Hilflosigkeit und bestrafend durch urkomische Boshaftigkeit – zugleich aber als kluge Spiegelung des „Bürgers Kane“ –, Apu als übereifriger Immigrant mit sensiblem Religionsbewusstsein aber zutiefst kapitalistischer Ausbeuterader; es gibt so viele fantastische Beispiele, die in so sensibel-intelligenten Episoden in wunderbare, kleine Geschichten eingebaut wurden, die den Simpsons immer mehr den Anschein einer Sitcom gaben, vielleicht würde man heute schon Dramedy dazu sagen, als den einer Zeichentrickserie für Kinder.
Das war die Serie allerdings nie. Schon immer wandte sie sich an ein gebildetes, vornehmlich erwachsenes Publikum, das die postmodernen Verweise auch verstehen konnte und wollte. Da waren die Simpsons ihren Vorbildern, den Peanuts und den Flinstones, immer schon sehr nahe. Heute gestaltet es sich sogar so, dass viele Menschen einige Kulturgüter und Gesellschaftsverweise erst aus der Sekundärrezeption durch die Simpsons kennen – und dadurch zur Primärrezeption angeleitet werden. Eine unglaubliche Leistung für eine TV-Serie!
Allerdings sollte sich etwas ändern im Simpsons-Universum – und dies konnte kaum jemand verhindern. Die Simpsons wurden ziemlich früh zu den Repräsentanten einer Alternativbewegung von Intellektuellen, die jede Folge akribisch auf ihren Subtext abklopften (kongenial von den Zeichnern unterstützt, die den sogenannten ‚Freeze Frame Fun’ erfanden, nachdem manche humoristische Einlage nur nach Aufnahme auf Band und nach Stoppen des Videorekorders sichtbar wurde) als auch Helden einer Generation, die mit den Simpsons groß wurden und vor allem den Comedycharakter der Serie zu schätzen wussten. Dies machte die Serie zu einem Kritikerliebling und ließ sie zu einem kulturellen Koloss erwachsen, der kaum ins quotenverseuchte Wanken geraten konnte, aber auch zu einem irrsinnigen Welterfolg, der den Druck auf die Verantwortlichen in ungeahnte Höhen zu schrauben drohte. Matt Groening versuchte sich einen kreativen Freiraum zu erretten, der Futurama hieß und ein höchst beeindruckendes, wenngleich kommerziell wenig erfolgreiches Eigenleben bot. Jene Freiheit führte dazu, dass die Simpsons als Selbstläufer autorentechnisch alleine gelassen wurden (weil auch viele Autoren der Simpsons bei Futurama mitwirkten). Vielleicht wäre der Qualitätsverlust auch anders nicht aufzuhalten gewesen, aber so wurde er dennoch beschleunigt.
Viele Storylines orientierten sich nicht mehr an dem emotionalen Gerüst, das die Simpsons so charmant und sprühend-intellektuell zusammen hielt: Homer, der Dauertrottel generierte zum Publikumsliebling und fortan zum dümmlichen Volkskasper; jede Geschichte musste nun sein Leid illustrieren. Zudem entwickelten die als Parodie angelegten Figuren ein serienimmanentes Eigenleben. Die Figuren wuchsen zwar nicht (Bart bleibt wohl ein Leben lang 10 Jahre alt) körperlich, aber doch psychisch – was Eingriffe in die Serienlogik bedingte. Ein erster folgenschwerer Schritt war der nutzlose aber als großer Fortschritt verkaufte Tod von Flanders Gattin Maude. Möglicherweise wollten sich die Autoren selbst beweisen, dass sie mehr konnten als Unmengen von Zitaten zu liefern, dass sie mehr sind als postmoderne Andeutungsmaschinen und damit wahre Geschichtenerzähler. Wie aber erwähnt, waren sorgsam erdachte, logische Geschichten nie das, was die Größe dieser Serie ausmachte. Das Gegenteil bewirkten sie also. Man denke einmal darüber nach, was passieren würde, wenn Charlie Brown Lucys Football wirklich kicken dürfte. Ähnlich verhält es sich hier.
Viele Gaststars rühmten sich, bei den Simpsons mitgespielt bzw. mitgesprochen zu haben. Was in den Anfangsjahren zu gloriosen Gastauftritten führte (ein Dustin Hoffman, der einen warmherzigen Grundschullehrer spricht und im Abspann nicht mal als er selbst erkenntlich gemacht wird), wurde zum Schaulaufen geltungssüchtiger Celebrities. So mussten immer mehr Gäste in immer belanglosere Geschichten geschrieben werden, die sich meist umständlich um jene herum spannen, deren Lebenswelt doch karikiert werden sollte.
Die Simpsons verloren ihren Charme und ihre Natürlichkeit, denn all das Subversive (was nicht bedeutet, dass die Serie diesen subversiven Kern verloren hätte, aber er ist nicht mehr tragendes Zentrum der Seriengeometrie) wurde zur oftmals zotigen Anspielung auf Gesellschaftskritisches. Witze mussten schneller erzählt werden, Animations-Action bestimmte die Episoden, möglichst hyperaktiv unterhaltsam sein sollten. Das alles konnte Belanglosigkeit kaum verbergen und so verliefen Serienstaffeln oft ohne Höhepunkt (die ironischen ‚Treehouse of Horror’ Episoden bildeten oft die Ausnahme) in ein kühles Nichts, das die einstige Relevanz nur noch mit Fernsehpreisen aus der Vergangenheit hochhalten konnte.
'Behind the Laughter' heißt dann eine der letzten großartigen Episoden dieser konkurrenzlos beeindruckenden Serie, die symbolisch für den Wandel einer der wichtigsten TV-Serien des 20. Jahrhunderts (und auch eines der wichtigsten Kunstwerke) steht. In dieser Episode wird die Familie Simpson als agierende Startruppe porträtiert, die sich selbst spielt. Im Stile einer VH1 Reportage, mit schnellen Schnitten und Behind-the-scenes Collagen, entwickelt die Serienepisode ein Prinzip, dass als Parodie der Parodie verstanden werden könnte. Das ist in diesem Fall gelungen, zynisch und intelligent. Aber es war zugleich ein Bild für die Entwicklung einer Serie, die inzwischen nur noch sich selbst bespiegelte, sich selbst parodierte, sich selbst bedeutete und nicht mehr die große, unwirkliche Welt. Die Zitatmaschine zitierte sich selbst und verlor damit die erfolgreiche Narrationstechnik, die sich zwar im Eklektischen oft erschöpft, aber gerade dadurch der Wahrheit – meist von destruktiver Brechung begleitet – näher kommt, aus den Augen.
Nun bleibt diesem Kulturdinosaurier, der so viel erlebt und so viel Wahrheit aufgezeigt hat – und als Cartoonschnipsel in der Tracy Ullman Show gestartet ist – nur noch der Weg ins Kino. Man wird abwarten müssen, wie sich die gelben Chaoten dort schlagen, aber man darf doch äußerst skeptisch bleiben, wenn man über die Kinoversuche anderer großer TV-Helden nachdenkt. Zumindest ist es ein folgerichtiger Schritt für eine Serie, die nie Scheuklappen trug, was ihren Kunstgehalt betraf, aber auch nicht, was ihre kommerziellen Möglichkeiten anging.
So wird der Kinofilm sicher nicht das romantisch beschworene Ende der Marketing-Wollmilchsau Simpsons darstellen, aber vielleicht erinnern ja manche Szenen in der großen Kinokiste an längst verblasste euphorische Höhepunkte einer Geschichte schreibenden TV-Serie.
Die Simpsons – Der Film startet im Juli 2007 weltweit.
Anschwellende Musik, einige Linien, gelb und rot, eine Stimme, die auf das Rückkehren des größten Helden der amerikanischen Geschichte verweist. Schwenk vom Superman-Dress zu Homer Simpson, der hilflos sagt: „I forgot what I supposed to say!“
Die Simpsons werden es auf die große Leinwand schaffen. Und der erste Trailer, der beinahe beiläufig Aufregung provoziert hat, beweist die große Sprengkraft kulturreflexiver, subversiver Dimension, wenn zunächst auf das Comeback Supermans angespielt wird, die Simpsons ursächlich gemeint sind und deren tragender Held vergisst, was er zu sagen hätte.
Matt Groening, der große Schöpfer der noch größeren, wichtigsten Zeichentrickserie aller Zeiten hatte ein halbes Leben lang darauf bestanden, dass ein Kinofilm ein endgültiger Abschluss seiner Serie wäre. Ein Film würde sozusagen das Gesamtwerk abrunden, es veredeln und damit endgültig unsterblich machen. Diese Einstellung stammt aus den goldenen Zeiten der Gelben, die vornehmlich in den 90er Jahren anzusiedeln sind. Damit wären wir gleich bei dem Problem: Die Simpsons, jene Kulturinstitution, die mit Boshaftigkeit und postmoderner Verve den American Way Of Life endgültig parodierten und den amerikanischen Traum auf einem Trümmerhaufen von Zitaten aus Kunst und Popkultur begruben, haben ihren Zenit bei weitem überschritten.
Dies ist besonders tragisch, weil sich hinter dem gelben Zeichentrickkosmos eine unsterblich komische Ressource von kreativer Energie verbarg. Diese schöpfte aus dem gigantischen Fundus einer aus den Fugen geratenen, geschichtslosen Welt, die den Schein verehrt und die Dummheit anbetet. Die Simpsons kommentierten nur diesen jämmerlichen Zustand mit pointierter Schärfe und sowohl tiefenpsychologischer als auch soziologischer Interpretationslust. Dieses hinreißende Gemisch aus Gesellschaftskritik, Verehrung von Kulturgöttern und dem präzisen Blick auf das Alltägliche zeichnete sich nie durch großartige Geschichten aus. Aber meist waren es brillante Gagfeuerwerke und rührende Momente menschlichen Miteinanders (denn trotz ihrer dysfunktionalen Außenwirkung hielten die Simpsons immer die Kraft der Familie hoch), die Sternstunden des Fernsehens ausmachten. Heute haben die Simpsons nur noch selten Sternstunden – wenngleich die Serie erfolgreicher ist als je zuvor. Zwei treffsichere Gründe für eine Kinoverwertung.
Konzipiert erschienen die Figuren einstmals als wagemutige, intelligente Typenzeichnungen und gleichzeitige Parodien auf Vertreter bestehender Bevölkerungsschichten. Bart als ewig verlierender Underachiever, Homer als trotteliger Über- und Untervater, der dennoch das Höchste erreicht (unvergessen eine Episode, in der ein gewisser Frank Grimes – ein Unglücksrabe, der sich im Leben alles erkämpfen musste und doch nichts hat – Homer als unverdienten Hans im Glück entlarvt und in seiner Wut auf diesen gesellschaftlichen Zustand zu Tode kommt), Marge als treusorgende Hausfrau, die dennoch emanzipative Züge annehmen darf, Lisa als verkanntes Genie, das wie eine Rose aus dem Misthaufen wächst und Maggie, die sprachlos als Symbol für die Nichtbeachtung der Kleinsten stehen mag. Und dann wären dann noch die so lieb gewonnenen Nebendarsteller, die so zahlreich sind, dass eine Aufzählung nur der Bekannteren Kopfschütteln über die schiere Zahl verursachen würde.
Darin lässt sich aber das Geheimnis der Simpsons ausmachen. Figuren, die als Hüllen fungieren konnten, durch die Ursächliches sichtbar wurde, durch die Glanzlichter der Kulturgeschichte parodiert werden konnten und durch die vor allem soziale Reflexe repräsentiert werden sollten. Nachbarfamilie Flanders als großherzige, christianisierte Antipode zu den Simpsons (und ein Ned Flanders als grenzenlos von sich überzeugter Supervater, der mit Homer immer wieder aneinander gerät), Mr. Burns als Chefdiktator, gestraft von körperlicher Hilflosigkeit und bestrafend durch urkomische Boshaftigkeit – zugleich aber als kluge Spiegelung des „Bürgers Kane“ –, Apu als übereifriger Immigrant mit sensiblem Religionsbewusstsein aber zutiefst kapitalistischer Ausbeuterader; es gibt so viele fantastische Beispiele, die in so sensibel-intelligenten Episoden in wunderbare, kleine Geschichten eingebaut wurden, die den Simpsons immer mehr den Anschein einer Sitcom gaben, vielleicht würde man heute schon Dramedy dazu sagen, als den einer Zeichentrickserie für Kinder.
Das war die Serie allerdings nie. Schon immer wandte sie sich an ein gebildetes, vornehmlich erwachsenes Publikum, das die postmodernen Verweise auch verstehen konnte und wollte. Da waren die Simpsons ihren Vorbildern, den Peanuts und den Flinstones, immer schon sehr nahe. Heute gestaltet es sich sogar so, dass viele Menschen einige Kulturgüter und Gesellschaftsverweise erst aus der Sekundärrezeption durch die Simpsons kennen – und dadurch zur Primärrezeption angeleitet werden. Eine unglaubliche Leistung für eine TV-Serie!
Allerdings sollte sich etwas ändern im Simpsons-Universum – und dies konnte kaum jemand verhindern. Die Simpsons wurden ziemlich früh zu den Repräsentanten einer Alternativbewegung von Intellektuellen, die jede Folge akribisch auf ihren Subtext abklopften (kongenial von den Zeichnern unterstützt, die den sogenannten ‚Freeze Frame Fun’ erfanden, nachdem manche humoristische Einlage nur nach Aufnahme auf Band und nach Stoppen des Videorekorders sichtbar wurde) als auch Helden einer Generation, die mit den Simpsons groß wurden und vor allem den Comedycharakter der Serie zu schätzen wussten. Dies machte die Serie zu einem Kritikerliebling und ließ sie zu einem kulturellen Koloss erwachsen, der kaum ins quotenverseuchte Wanken geraten konnte, aber auch zu einem irrsinnigen Welterfolg, der den Druck auf die Verantwortlichen in ungeahnte Höhen zu schrauben drohte. Matt Groening versuchte sich einen kreativen Freiraum zu erretten, der Futurama hieß und ein höchst beeindruckendes, wenngleich kommerziell wenig erfolgreiches Eigenleben bot. Jene Freiheit führte dazu, dass die Simpsons als Selbstläufer autorentechnisch alleine gelassen wurden (weil auch viele Autoren der Simpsons bei Futurama mitwirkten). Vielleicht wäre der Qualitätsverlust auch anders nicht aufzuhalten gewesen, aber so wurde er dennoch beschleunigt.
Viele Storylines orientierten sich nicht mehr an dem emotionalen Gerüst, das die Simpsons so charmant und sprühend-intellektuell zusammen hielt: Homer, der Dauertrottel generierte zum Publikumsliebling und fortan zum dümmlichen Volkskasper; jede Geschichte musste nun sein Leid illustrieren. Zudem entwickelten die als Parodie angelegten Figuren ein serienimmanentes Eigenleben. Die Figuren wuchsen zwar nicht (Bart bleibt wohl ein Leben lang 10 Jahre alt) körperlich, aber doch psychisch – was Eingriffe in die Serienlogik bedingte. Ein erster folgenschwerer Schritt war der nutzlose aber als großer Fortschritt verkaufte Tod von Flanders Gattin Maude. Möglicherweise wollten sich die Autoren selbst beweisen, dass sie mehr konnten als Unmengen von Zitaten zu liefern, dass sie mehr sind als postmoderne Andeutungsmaschinen und damit wahre Geschichtenerzähler. Wie aber erwähnt, waren sorgsam erdachte, logische Geschichten nie das, was die Größe dieser Serie ausmachte. Das Gegenteil bewirkten sie also. Man denke einmal darüber nach, was passieren würde, wenn Charlie Brown Lucys Football wirklich kicken dürfte. Ähnlich verhält es sich hier.
Viele Gaststars rühmten sich, bei den Simpsons mitgespielt bzw. mitgesprochen zu haben. Was in den Anfangsjahren zu gloriosen Gastauftritten führte (ein Dustin Hoffman, der einen warmherzigen Grundschullehrer spricht und im Abspann nicht mal als er selbst erkenntlich gemacht wird), wurde zum Schaulaufen geltungssüchtiger Celebrities. So mussten immer mehr Gäste in immer belanglosere Geschichten geschrieben werden, die sich meist umständlich um jene herum spannen, deren Lebenswelt doch karikiert werden sollte.
Die Simpsons verloren ihren Charme und ihre Natürlichkeit, denn all das Subversive (was nicht bedeutet, dass die Serie diesen subversiven Kern verloren hätte, aber er ist nicht mehr tragendes Zentrum der Seriengeometrie) wurde zur oftmals zotigen Anspielung auf Gesellschaftskritisches. Witze mussten schneller erzählt werden, Animations-Action bestimmte die Episoden, möglichst hyperaktiv unterhaltsam sein sollten. Das alles konnte Belanglosigkeit kaum verbergen und so verliefen Serienstaffeln oft ohne Höhepunkt (die ironischen ‚Treehouse of Horror’ Episoden bildeten oft die Ausnahme) in ein kühles Nichts, das die einstige Relevanz nur noch mit Fernsehpreisen aus der Vergangenheit hochhalten konnte.
'Behind the Laughter' heißt dann eine der letzten großartigen Episoden dieser konkurrenzlos beeindruckenden Serie, die symbolisch für den Wandel einer der wichtigsten TV-Serien des 20. Jahrhunderts (und auch eines der wichtigsten Kunstwerke) steht. In dieser Episode wird die Familie Simpson als agierende Startruppe porträtiert, die sich selbst spielt. Im Stile einer VH1 Reportage, mit schnellen Schnitten und Behind-the-scenes Collagen, entwickelt die Serienepisode ein Prinzip, dass als Parodie der Parodie verstanden werden könnte. Das ist in diesem Fall gelungen, zynisch und intelligent. Aber es war zugleich ein Bild für die Entwicklung einer Serie, die inzwischen nur noch sich selbst bespiegelte, sich selbst parodierte, sich selbst bedeutete und nicht mehr die große, unwirkliche Welt. Die Zitatmaschine zitierte sich selbst und verlor damit die erfolgreiche Narrationstechnik, die sich zwar im Eklektischen oft erschöpft, aber gerade dadurch der Wahrheit – meist von destruktiver Brechung begleitet – näher kommt, aus den Augen.
Nun bleibt diesem Kulturdinosaurier, der so viel erlebt und so viel Wahrheit aufgezeigt hat – und als Cartoonschnipsel in der Tracy Ullman Show gestartet ist – nur noch der Weg ins Kino. Man wird abwarten müssen, wie sich die gelben Chaoten dort schlagen, aber man darf doch äußerst skeptisch bleiben, wenn man über die Kinoversuche anderer großer TV-Helden nachdenkt. Zumindest ist es ein folgerichtiger Schritt für eine Serie, die nie Scheuklappen trug, was ihren Kunstgehalt betraf, aber auch nicht, was ihre kommerziellen Möglichkeiten anging.
So wird der Kinofilm sicher nicht das romantisch beschworene Ende der Marketing-Wollmilchsau Simpsons darstellen, aber vielleicht erinnern ja manche Szenen in der großen Kinokiste an längst verblasste euphorische Höhepunkte einer Geschichte schreibenden TV-Serie.
Die Simpsons – Der Film startet im Juli 2007 weltweit.