Don’t Look Now

Eric Harris, Dylan Klebold, Robert Steinhäuser, Bastian B., Cho Seung-hui.

Es sind die immer gleichen Bilder, die immer öfter uns bedrängen und ins weite Feld des Unbewussten verdrängt werden müssen: Jene von jungen Menschen, die martialisch mit der Waffe prahlen, die von ihr Gebrauch machen, als wäre das Leben ein Videospiel – die töten, ohne Sinn und Verstand. Die Bilder verlieren ihre Intensität, denn sie gleichen sich auf das Deutlichste. Was aber kann es Schrecklicheres geben, als dass sich Ereignisse wie diese, die den Menschen doch aufs Tiefste erschüttern müssen ob ihrer Grausamkeit und Sinnlosigkeit, in eine Welt einbrennen, die diese Bilder in alle Haushalte dieser Welt überträgt und ihre Zuschauer damit alleine lässt?

Die Schockwirkung verflüchtigt sich, das Grauen verkommt zum schweigenden Starren auf den Bildschirm. Die Erwartungen, wer sich hinter den Mordtaten verbergen könnte, verkümmern zur vorbewussten Erkenntnis: Außenseiter, einsam und abgeschottet in einer Welt, die nur von Hass und Destruktivität getragen wird. Zeiten, in denen solche Menschen handeln, von größter Verzweiflung getrieben (die ihre Taten nicht relativiert, aber doch ihre destruktiven Impulse erklärt), müssen zu Fragen über das Menschliche provozieren. Aber stattdessen erlahmen die Gedanken beim Anblick auf das, was nicht neu ist.

Immer größere Gewaltexzesse finden Eingang in die Populärkultur (Musik und Film sind beliebte Exponenten) – und als würde man nicht wissen, dass dies ein deutliches Zeichen für die eigenartige Leblosigkeit des heutigen Menschen ist, versucht man einen Sinn hinter dem Amok-Täter, dem Archetypen für das Chaos in unserer heutigen Zeit, zu finden. Das aber gerade macht ihn zum Helden, zum Plakat, zur Figur. Die Entmenschlichung findet nach dem Schuss in den Kopf statt. 15 Minuten Ruhm, die man dem Täter gerne gewährt. Und die dieser, wie schmerzlich aktuell in Blacksburg, auch ungeniert eingeplant hat. Nur ist dies für ihn nutzlos. Und für uns! Denn welchen Informationswert haben die immergleichen Vorstellungen der Täter, wenn keine Maßnahmen heraufbeschworen werden, die ergriffen werden sollten, um solche Tage des Blut Vergießens für die Zukunft zu verhindern.

Jedes suggestive Bild eines perverserweise erfolgreichen Täters animiert den nächsten, zukünftigen, zu einer vielleicht noch verheerenderen Tat. Die Tyrannei der Bilder verhindert das Einschreiten in der wirklichen Welt. Das Morden wird zum virtuellen Spiel – nicht das Videospiel wird zur Realität, sondern genau anders herum: Die Realität wird zum Videospiel. Dort werden nur noch die Toten gezählt. Das dürfen wir nicht hinnehmen!

Sehenden Auges verschließen wir den Blick vor der Wirklichkeit, verharmlosen das Gewaltpotenzial derjenigen, die auch Zugang zu Waffen haben (nicht nur in den USA) könnten, und lenken uns in gespielter Empörung ab von dem Seinsgehalt des todbringenden Epos, das seine Heroen in einer archaischen virtuellen Welt verbirgt, die größeren (wirtschaftlichen) Erfolg verspricht als die reale.

Wir müssen hinsehen, um den (realen) Horror zu verstehen – ohne ihn als Teil unserer Gegenwart zu akzeptieren.

Update:
Ein weiterer Name auf der traurigen Liste: Pekka-Erik Auvinen

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