David Lynch von A-Z: Qual
Lynch-Filme sind nicht ohne einen gewissen Hang zum Masochismus zu ertragen. Das liegt auch daran, dass seine Figuren selbst im Teufelskreis der Schmerzerfahrungen (seien sie nun selbst erlebt, beobachtet oder anderen zugefügt) eingezwängt sind. Außerdem enthalten alle Stoffe des Filmemachers unter ihrer abstrakten, audiovisuellen, ausgefeilten Oberfläche stets einen tragischen Kern.
„Twin Peaks – Der Film (Fire Walk With Me)“, unter Fans einer der umstrittensten Filme Lynchs, in der Retrospektive aber wohl einer seiner interessantesten, enthüllt mit wesentlich düsteren Bildern als die Serie, dass sich hinter der Geschichte um die ermordete Stadtschönheit auch das Drama um eine in den verschiedensten Formen missbrauchte junge Frau verbirgt und der erschreckende Kreislauf von Geld, Drogen und Prostitution in jedem idyllischen Ort (oder, so will es uns Lynch weismachen, gerade dort!) Einzug erhalten kann.
Diktatur des Blicks
Die größte Qual mag für den Zuschauer aber sein, sich darauf einzulassen, dass Sinn und eine logisch erzählte Geschichte mit einer nachvollziehbaren Moralvorstellung bei Lynch eben suspendiert sind. Stattdessen herrscht die Diktatur des Blickes, die der Regisseur mit der Inszenierung von hyperrealistischen Nahaufnahmen, der komplizierten Differenzierung von Bild und Ton und der zuweilen sogar zynischen Variation von üblichen Hollywood-Topoi in ihrer Funktionsweise im Kino, oder generell in den visuellen Medien der Popkultur, offenlegt.
So kann auch „Straight Story“, die letzte Lebensreise des Alvin Straight, zu einer qualvollen Erfahrung werden, weil hier mit allen Mitteln versucht wird, die Notwendigkeit von den Plot voranbringenden Konflikten durch die friedliche Einsicht in die Schmerzhaftigkeit des Lebens zu ersetzen. Der Blick ins All wird so zum gleichsam meditativen wie erschreckenden Ereignis.