Wenn …

Wenn die gerechte Sache unterliegt, wenn die Mutigen erniedrigt werden, wenn in Stollen und Schacht erprobte Männer wie der letzte Dreck behandelt werden, wenn auf Hochherzigkeit geschissen wird und die Richter Lügen glauben und Verleumder fürs Verleumden mit Gehältern bezahlt werden, von denen die Familien eines ganzen Dutzends streikender Bergarbeiter ihr Leben fristen könnten, wenn der Goliath der Polizeimacht mit den blutigen Gummiknüppeln sich nicht auf der Anklagebank, sondern auf der Ehrenliste findet, wenn unsere Vergangenheit entehrt wird und man ihre Verheißungen und Opfer mit ignorantem und bösem Lächeln achselzuckend abtut, wenn in ganzen Familien der Argwohn aufkommt, daß jene, die die Macht ausüben, der Vernunft und jeglichem Appell gegenüber taub sind und daß es keine Instanz gibt, an die man sich wenden kann, wenn dir allmählich klar wird, daß, was immer es an Wörtern im Lexikon geben mag, was immer die Königin sagt oder Parlamentskorrespondenten berichten, welche Bezeichnung das System sich selber auch immer gibt, um seine Schamlosigkeit und seinen Egoismus zu maskieren, wenn dir allmählich klar wird, daß SIE darauf aus sind, dich zu brechen, darauf aus sind, alles zu zerbrechen, dein Ererbtes, deine Fähigkeiten, deine Gemeinden, deine Dichtung, deine Klubs, dein Heim und, wo immer möglich, auch deine Knochen, wenn das den Leuten endlich klar wird, dann hören sie vielleicht auch in ihrem Kopf die Stunde der Attentate schlagen, der gerechtfertigten Vergeltung. 

John Berger: Begegnungen und Abschiede - über Bilder und Menschen. Fischer,  Frankfurt am Main 2000.

(Der Kunstkritiker und Schriftsteller John Berger hat auch meinen Blick auf die Kunst verändert. Der stets politisch hellwache Brite ist nun im Alter von 90 Jahren gestorben. Seine Gedanken bleiben.) 

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