Über dem Nadelöhr


Dein entsetzter Blick, als du sahst, dass dein Pullover längs deiner Schulter einfach so aufgerissen war. Schlechter Stoff, schlecht verarbeitet, dachte ich. 

Doch nachdem du für einen Moment die Beherrschung verlorst (und ich vermutete, dass du das Teil nun in die Ecke pfeffern, es vielleicht sogar direkt in den Mülleimer befördern würdest), schnapptest du dir Nadel und Bindfaden und machtest dich  mit konzentriertem Blick daran zu schaffen. 

Ich setzte mich neben dich und schaute dir, still und beinahe ohne zu atmen, dabei zu, wie du die hauchdünne Schnur in den Fetzen deiner Bluse zum Verschwinden brachtest. Hinein, schnell durchgezogen, festgezurrt, zurück. Noch einmal. Und noch einmal. Bis sich kaum noch sagen ließ, dass dort einmal ein Loch, ein Nichts gewesen ist. 

Die Minuten vergingen und du sagtest kein Wort. Als du dein Werk vollbracht hattest und weniger mit Stolz als vielmehr mit dem Gefühl, das Notwendige getan zu haben, zurück hinein in dein Kostüm schlüpftest, kam ich für mich zu dem Schluss, dass es für diesen einen Moment keine größere Weltbeherrschung geben kann.

Für A.

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