"Misunderstood"

When you're back in your old neighborhood
The cigarettes taste so good
But you're so misunderstood
You're so misunderstood
There's something there that you can't find
Honest when you're tellin' a lie
You hurt her but you don't know why
You love her but you don't know why


(Wilco, Misunderstood)

Die Rückkehr in diesen Kokon aus vermeintlicher Liebe und Wärme ist eine beschwerliche und aber auch eine verlogene. Gefühle rattern durch den Geist, uralte Empfindungen werden durch den Gefühlsapparat gepustet und eine entsetzliche Schwermut formt schon Tage vorher den Blick zurück zu einem nostalgischen Event, das Tränen provozieren soll, Enttäuschung und ehrliche Trauer aber evoziert. Man sitzt nun so da, im Sessel, den man noch so sehr als Hort der Ruhe vermisst hat und träumt davon, dass alles so wäre wie damals. Und man beginnt schon zu lügen, sich selbst eine illustre Geschichte zu erzählen, die so niemals der Realität entstammt. Ich sehe all die Menschen wieder, die ich nur an meiner Ohrmuschel mit verbalen Kuscheleinheiten vergnügen konnte (obgleich ich mir da nicht so sicher bin), und muss sehen, dass eine Wunde längst aufgerissen ist und das Blut nun unaufhörlich strömt. Die Pein des Weitergehens ist keine Pein. Vielmehr ist es richtig und wichtig, sein Leben immer und immer wieder zu überdenken, von neuem zu konzeptionieren. Der Blick nach vorn zählt und ist unbezahlbar. Aber der Blick zurück gebietet den Weg in eine lüsterne Wärme, die so nie existiert hat. Und so krümme ich mich vor Schmerzen, wenn ich all die Konflikte, die ich stolz verdrängen wollte, nun im Sekundentakt neu aufflammen sehe. Es brennt die Seele und das lodernde Feuer, das diese entzündet, ist ein Großbrand, der nicht mehr gelöscht werden kann. Ich flüchte mich nur allzugern in Melancholie, um aber im selben Atemzug zu wissen, dass dies Verdrängung bedeutet. Ehrliche Trauer ist das wichtigste in diesem Moment, denn hier begreift man den Menschen als Mängelwesen. Der Blick zurück, kein Blick als wohliger Moment der sanften Erinnerung. Viel schlimmer. Geradezu gräßliche Nostalgie beschwert den Leib. Und so entstehen Quellen des Missverständnisses, sie entspringen den tiefsten Gräben der Seele und sie zu nutzen wäre aufrichtig, um einen Weg für Morgen zu finden. Aber wie schwer ist das?

Stattdessen flüchte ich mich in mein Zimmer, friere, weil es noch Winter ist und der fahle Wind gegen die Scheiben pocht und höre Musik, sehe fern – lenke mich ab. Nichts kann mehr so sein, wie es war. Ist es nun grausam, wenn ich sage, dass ich es gar nicht so zurück haben will? Meine Schmerzen resultieren gerade erst aus dem Gefühl heraus, Abschied nehmen zu wollen, weil es richtig ist, aber ein kranker, schwacher, armer Geist kann dem immer nur eine Gefühlssalve entgegenhalten, die sich gerade mit jener schwachbrüstigen Nostalgie übersetzen ließe.
Kahl fühlt sich mein Herz in diesen Momenten an und dann möchte ich einfach nur noch fliehen in den Raum, den ich mir kraft meiner eigenen Hände neu geschaffen habe. Aber ich wäre ohne Identität, ein Geist, wenn ich mich nur in die selbstkreierte Gegenwart säße und dort verbliebe. Nein, ich muss mich gerade dem Missverstehen entgegensetzen, ich muss mich selbst verstehen und damit meine Vergangenheit – all die Schmerzen und auch die Freude. Dann finde ich einen Weg, der beides miteinander verbinden kann.
Im Moment bin ich davon aber noch weit entfernt.

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