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Es werden Posts vom Oktober, 2024 angezeigt.
Schreibweisen
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Schreiben benötigt mehr als eine Perspektive. Wer nur aus dem Seelenvorrat schöpft, verpasst die Wunder und Widrigkeiten der Welt. Lediglich aus der Vogelperspektive zu beobachten, versperrt hingegen Einsichten ins Innerste. In diesem Zusammenhang ist es recht interessant, dass alle großen Romanciers auch passable Essayisten sind, die meisten furiosen Gedankenspaziergänger aber eher lausige Erzähler.
Like A Rolling Stone
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Irgendwo zwischen Wilhelm Tell, „Uhrwerk Orange“, John Williams, den „Simpsons“ und „Akte X“ glomm der erste Funke. Meine Eltern spielten und hörten klassische Musik. Rossinis Ouvertüre in seiner Oper zum Schiller-Schauspiel wurde mir zum Herzensöffner für die Musik, weil es so rasant und entschlossen war. Es hatte Action, es erinnerte mich an vieles aus Zeichentrickserien, vielleicht wurde es in einem Looney-Tunes-Cartoon eingesetzt. Derart begeistert, bekam ich von meinen Eltern den Soundtrack von „Uhrwerk Orange“ zu hören, weil dort nicht nur die „Diebische Elster“ zu hören ist, sondern auch die von Wendy (damals noch Walter) Carlos verfremdete Synthesizer-Version der Wilhelm-Tell-Ouvertüre. Wer glaubt schon, dass man auch für Töne zu jung sein könnte? Von Rossini war es wohl nur ein kleiner Schritt zu John Williams und einer Kompilation mit Stücken, die er mit dem Boston Pops Orchestra aufgeführt hatte. Meine erste CD. Film und Musik, zwei Leidenschaften, die sich ganz und gar gle
Glücksblicke
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In der Schulzeit halfen manchmal ganz unschuldige Augen-Blicke über das Unbehagen hinweg, ohne Sinn und Verstand Lebenszeit zu verschwenden. Im Unterricht wanderte die Aufmerksamkeit von der wabernden Wissensmasse zu dem Augenpaar hinüber, das gegenüber nach einem Gleichgesinnten Ausschau hielt. Oder zufällig sich einladen ließ. Gefunden, einander begrüßt. Mit einem Lachen, das gleichsam einen lichtdurchfluteten Ausweg aus dem Bildungsgefängnis wies und für einen Moment den geradezu elektrisierenden Ausbruch aus dem Alltag sogar zur Möglichkeit erklärte. Ein beliebig wiederholbares Glück, das sich im Grunde mit jedem teilen ließ, der sich auf dieses Spiel einlassen wollte. Kommunikation, zwecklos und schön. Doch mit Überwindung der Schulmauern verblasste diese ganz eigene, selbstverständliche Lachkultur. Sie fand keine Fortführung mehr. Jedenfalls keine, die nur dieses einfache Wohlbehagen, diese Schicksalsflucht will. Stattdessen Lachen mit Vorzeichen: Albernheit, Witz, Flirt,
Letzte Tränen
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„Ich war ein Kind, sieben oder acht Jahre alt, ich befand mich in einem freistehenden Haus, in der Nähe des geschlossenen Fensters, ich blickte nach draußen - und auf einmal, nichts könnte plötzlicher sein, war es, als ob der Himmel sich öffnete, sich dem Unendlichen unendlich öffnen würde, um mich durch diesen überwältigenden Moment der Öffnung einzuladen, das Unendliche, aber das unendlich leere Unendliche anzuerkennen. Das Ergebnis war befremdlich. Die plötzliche und absolute Leere des Himmels, nicht sichtbar, nicht dunkel - Leere von Gott: Das war explizit, und es überstieg darin den bloßen Verweis aufs Göttliche bei weitem -, überraschte das Kind mit einem solchen Entzücken, und einer solchen Freude, dass es für einen Moment mit Tränen erfüllt war, und - ich füge um die Wahrheit besorgt hinzu - ich glaube, es waren seine letzten Tränen.“ Maurice Blanchot: Die andere Urszene. Berlin 2008, S. 19.
Die Unfähigkeit zu trauern
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Am 14. Oktober verschwinden von einem Moment auf den anderen 170 Millionen Menschen. Exakt zwei Prozent der Menschheit. Keiner weiß, wo sie abgeblieben sind. Niemand weiß eine Antwort darauf, warum es die einen aus der Welt geworfen hat und die anderen nicht. In einigen Städten gibt es nicht eine Person, die vermisst wird, in anderen Orten werden ganze Familien radikal dezimiert. Irgendwann einigen sich die Verbliebenen, die keine plausible Erklärung für das Ereignis finden, von einer plötzlichen Entrückung zu sprechen. Ein Forschungsinstitut wird gegründet, das statistisch erfassen soll, was all die Verschwundenen gemeinsam hatten. Viele wissen nicht, wohin mit ihrer Trauer. Kommen ihre Lieben, ihre Freunde, ihre Nachbarn wieder zurück? Getrauert werden kann nur um Tote, nicht um Verschwundene… Wie mit den Zweifeln umgehen? Doch der Alltag muss für die Zurückgelassenen weitergehen. Arbeit muss getan werden, Kinder müssen erzogen werden, Einkäufe sollten erledigt werden. Irge
Protokolliertes Tätigsein
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Faulheit, das ist nicht nur gewollte Untätigkeit. Es ist auch Arbeiten, das immerzu in Länge und Intensität für sich und andere festgehalten wird. Phlegmatiker dieser Art richten ihr Werk, oder die Kraft, die sie dafür investieren mögen, stets danach aus, welchen Nutzen es ihnen bringt. Tätige Menschen unterscheiden sich von ihnen, weil sie Dinge tun, die der Sache dienlich sind.