Zeitenwende (7)
Wer ständig von Gesundheit spricht, muss das Kranke um sich (und in sich) spüren. Wenn der Gesundheitskult auch zunächst den Anschein einer durchaus humanistischen Form der Selbstfürsorge hat, offenbart sich bei näherer Betrachtung das Konzept einer radikalen Bio-Politik, wie sie von zahlreichen Denkern des 20. Jahrhunderts bereits vorausgeahnt wurde. Nur ein gesunder Staatsbürger ist auch ein guter Staatsbürger. Eine Lehre daraus: Die Repression muss längst nicht mehr vom Staat ausgehen. Der Bürger unterdrückt sich selbst, in dem er sich einer wohlklingenden Körperutopie unterwirft, die entweder Optimierung des Natürlichen verheißt (das Wohl der plastischen Chirurgie) oder „Gesundung“ durch Körperfolter. In beiden Fällen ist Gesundheit ein Zustand, der hergestellt wird. Verspricht die Schönheitschirurgie ewige Jugendlichkeit, so deutet sie auch an, dass sie das Altern, dieses kontinuierliche Krankwerden auf dem Weg zum Tod, aufhalten möchte. Schönheit wird zum Produkt erhoben, da