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Prolog

Like A Rolling Stone

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Irgendwo zwischen Wilhelm Tell, „Uhrwerk Orange“, John Williams, den „Simpsons“ und „Akte X“ glomm der erste Funke. Meine Eltern spielten und hörten klassische Musik. Rossinis Ouvertüre in seiner Oper zum Schiller-Schauspiel wurde mir zum Herzensöffner für die Musik, weil es so rasant und entschlossen war. Es hatte Action, es erinnerte mich an vieles aus Zeichentrickserien, vielleicht wurde es in einem Looney-Tunes-Cartoon eingesetzt.  Derart begeistert, bekam ich von meinen Eltern den Soundtrack von „Uhrwerk Orange“ zu hören, weil dort nicht nur die „Diebische Elster“ zu hören ist, sondern auch die von Wendy (damals noch Walter) Carlos verfremdete Synthesizer-Version der Wilhelm-Tell-Ouvertüre. Wer glaubt schon, dass man auch für Töne zu jung sein könnte? Von Rossini war es wohl nur ein kleiner Schritt zu John Williams und einer Kompilation mit Stücken, die er mit dem Boston Pops Orchestra aufgeführt hatte. Meine erste CD. Film und Musik, zwei Leidenschaften, die sich ganz und gar...

Kipppunkte der Geschichte

Viele Gesellschaften haben sich in dem Gefühl einer resoluten, fast unveränderbar erscheinenden Gegenwart eingerichtet, die den Blick in die Zukunft meidet und die Erinnerung an die Vergangenheit als unnütz abtut. Ihnen ist die Vorstellung fremd geworden, dass die Geschichte Kipppunkte kennt. 

It's A Me, Mario!

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Ich hasse Videospiele und Gamer. Der Grund dafür ist, dass für mich bei den meisten Spielen auf jeden schönen Moment mindestens zwei Augenblicke der Frustration folgen und es offenbar einer Menge Spielzeit bedarf, um dieses liederliche Gefühl wegzuzocken. Ich habe mir nie genügend Zeit dafür genommen; nach spätestens drei Stunden setzen bei mir aber auch Kopfschmerzen, wundtrockene Augen und eine allgemeine Bräsigkeit ein. Symptome, die mir unangenehm sind.  Ich habe beim Spielen auch das Gefühl, dass ich anfange zu schwitzen und spüre eine Wut in mir, wenn etwas nicht gelingt, die selbst dann noch nachhallt, wenn der Endgegner oder was auch immer längst besiegt ist. Deswegen verachte ich die Realitätsflüchtlinge mit den flinken Fingern und reaktionsfähigen Gehirnen. Ihnen scheint all das nichts auszumachen. Sie spielen nach ihren Bedingungen. So wirkt es zumindest auf mich.  Es ist wohl wie bei den meisten Dingen, die man zu hassen glaubt: Der Wunsch zurückgeliebt zu werden i...

Warum läuft Tim K. Amok?

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Diesen (nun leicht modifizierten) Text habe ich im Jahr 2009 geschrieben, unmittelbar nach dem Amoklauf von Winnenden. Damals war ich der Überzeugung, dass das Gewaltphänomen der Schulschießereien vielleicht irgendwann vergehen würde. Aber das war ein Irrtum, wie leider erst der Massenmord an einer Oberschule in Graz zeigte. Gründe für diese Wahnsinnstaten zu finden, ist ein schwieriges Unterfangen. Es gibt aber einen Film, der dem Komplex mit unheimlicher Präzision nachspürt.  Die vielleicht ergiebigste Auseinandersetzung mit dem grausig-widersprüchlichen Ereignisfeld Amoklauf an Schulen hat Gus Van Sant mit dem Film „Elephant “ in Anlehnung an das Blutvergießen an der Columbine High School betrieben. In diesem geschichtslosen Drama, in dem die Protagonisten auftauchen und verschwinden bzw. erschossen werden, ohne dass man sie als Personen auch nur annähernd kennenlernen könnte, wird niemals klar, warum oder wieso irgendetwas passiert. Es bleibt unverständlich, warum gerade d...

Handschrift des Unglücks

Frei nach Tolstoi: Alle glücklichen Beziehungen gleichen einander, jede unglückliche Beziehung ist auf ihre eigene Weise unglücklich. 

Gemachtes Glück

Der Blick zurück ist trügerisch. Das, was man gemeinhin für eine glückliche Kindheit hält, ist manchmal nur das positiv gedeutete Bewusstsein, Glück als etwas von anderen gemachtes zu erleben. Es fehlt dann an der Gewissheit, es selbst erzeugen zu müssen. Für sich und für andere. 

Mit schlechtesten Grüßen

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Nichts wird so leichtfertig in die Welt geworfen wie ein Gruß. Jede klitzekleine, bedenkenlos dahingeschriebene Mail enthält einen - und sei es nur aus Gründen der Höflichkeit. Doch warum versehen so viele Menschen inzwischen ihre Gedanken, Forderungen und Fragen mit „besten Grüßen“? Auf den ersten Blick ist an dieser Freundlichkeitsformel nichts auszusetzen. Sie scheint ja nur eine ausdrucksstärkere Variante der „freundlichen Grüße“ zu sein. Supersuperlative machen es im Leben ja stets einfacher. Vielleicht ist die Anwendung dieser neuen Leerformel eine Reaktion darauf, dass die „herzlichen Grüße“ doch etwas zu persönlich geworden sind. Man will ja nicht gleich mit Arial-Buchstaben umarmen. In Netzforen machen sich unzählige Menschen verzweifelt Gedanken darüber, was sie ihrem Chef unter die Dienstmail klemmen, wie der Professor gegrüßt werden sollte oder was der Hausarzt gerade noch ziemlich finden könnte, um beim nächsten Mal vielleicht einen früheren Sprechstundentermin anzub...

Verständnis

Wenn mir die Hoffnung zu entgleiten droht, hilft mir der Gedanke an zwei Dinge: Ein jegliches hat seine Zeit und jeder hat seine Gründe.