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Prolog

Sternschnuppenexistenz

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Sie kommen und gehen ungefragt. Sie folgen ihren eigenen Regeln und wissen oft nicht einmal, welche das sind. Sie lächeln in einem Moment unsicher, um im anderen schallend loszulachen. Sie verstecken sich vor dem Lärm der Welt, vor dem grellen Licht, vor fauligen Gerüchen, vor unseligen Berührungen, vor dem rostigen Geschmack des ungefilterten Lebens. Ihnen ist sehr oft nicht wohl zumute. Sie zittern, ohne zu frieren. Sie fiebern, ohne zu schwitzen.  Ihr Glück ist sprunghaft, selten können sie es festhalten. Andere entzünden sie, manchmal ohne es zu wollen. Sie sind ein Geschenk, weil sie ohne Hintergedanken geben (aber auch nehmen können) – doch wehe, man flüstert ihnen ins Ohr, was sie einem bedeuten. Dann flüchten sie, wie sie ohnehin nie Rast machen können. Sie bedürfen eines Schwalls von Einflüssen, aber fürchten sich vor jeder Form der Überreizung. Vertrauen fassen sie nur sehr schwer und sie bleiben selbst dann noch skeptisch, wenn ihre Finger schon in jene der anderen fließ...

Skizzen eines Lebens

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Und wenn wir das Leben einmal nicht danach bewerten, ob etwas darin gelungen ist? Sehnsüchte, Träume und Ideen werden viel zu häufig aus dem Gedankenreservoir entsorgt, weil sie zu keinem Ziel führten oder weil sie schlicht an der harten Realität scheiterten. Möglicherweise, wer weiß das schon genau, waren sie nie für eine Verwirklichung bestimmt. Häufig türmen sich diese Entwürfe eines nicht gelebten Lebens zu einem Angstgebirge der verpassten Chancen auf. Taucht auch nur der Hauch einer Möglichkeit am Horizont des Alltags auf, dennoch etwas davon zu realisieren, so rennen nicht wenige blind gegen die Wand. Das liegt vor allem daran, dass der Ereignislosigkeit, eigentlich auch der Resonanzlosigkeit dieser schäumenden Entwürfe, deren Ursprung oft gar nicht nachgeforscht werden kann, nicht die Bedeutung zugemessen wird, die sie verdient. Gewichtete man jenes, das das Leben bestimmt (also alles, das aufgeschrieben, in Lebensläufe gequetscht, von anderen gefeiert oder beweint, mit...

Hausflur, Four O'Clock

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Erste allgemeine Verunsicherung

Das Problem ist oftmals nicht, dass man etwas nicht versteht. Es ist meist eher, dass man etwas nicht glauben will, weil es verunsichert.

Kipppunkte der Geschichte

Viele Gesellschaften haben sich in dem Gefühl einer resoluten, fast unveränderbar erscheinenden Gegenwart eingerichtet, die den Blick in die Zukunft meidet und die Erinnerung an die Vergangenheit als unnütz abtut. Ihnen ist die Vorstellung fremd geworden, dass die Geschichte Kipppunkte kennt. 

It's A Me, Mario!

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Ich hasse Videospiele und Gamer. Der Grund dafür ist, dass für mich bei den meisten Spielen auf jeden schönen Moment mindestens zwei Augenblicke der Frustration folgen und es offenbar einer Menge Spielzeit bedarf, um dieses liederliche Gefühl wegzuzocken. Ich habe mir nie genügend Zeit dafür genommen; nach spätestens drei Stunden setzen bei mir aber auch Kopfschmerzen, wundtrockene Augen und eine allgemeine Bräsigkeit ein. Symptome, die mir unangenehm sind.  Ich habe beim Spielen auch das Gefühl, dass ich anfange zu schwitzen und spüre eine Wut in mir, wenn etwas nicht gelingt, die selbst dann noch nachhallt, wenn der Endgegner oder was auch immer längst besiegt ist. Deswegen verachte ich die Realitätsflüchtlinge mit den flinken Fingern und reaktionsfähigen Gehirnen. Ihnen scheint all das nichts auszumachen. Sie spielen nach ihren Bedingungen. So wirkt es zumindest auf mich.  Es ist wohl wie bei den meisten Dingen, die man zu hassen glaubt: Der Wunsch zurückgeliebt zu werden i...

Warum läuft Tim K. Amok?

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Diesen (nun leicht modifizierten) Text habe ich im Jahr 2009 geschrieben, unmittelbar nach dem Amoklauf von Winnenden. Damals war ich der Überzeugung, dass das Gewaltphänomen der Schulschießereien vielleicht irgendwann vergehen würde. Aber das war ein Irrtum, wie leider erst der Massenmord an einer Oberschule in Graz zeigte. Gründe für diese Wahnsinnstaten zu finden, ist ein schwieriges Unterfangen. Es gibt aber einen Film, der dem Komplex mit unheimlicher Präzision nachspürt.  Die vielleicht ergiebigste Auseinandersetzung mit dem grausig-widersprüchlichen Ereignisfeld Amoklauf an Schulen hat Gus Van Sant mit dem Film „Elephant “ in Anlehnung an das Blutvergießen an der Columbine High School betrieben. In diesem geschichtslosen Drama, in dem die Protagonisten auftauchen und verschwinden bzw. erschossen werden, ohne dass man sie als Personen auch nur annähernd kennenlernen könnte, wird niemals klar, warum oder wieso irgendetwas passiert. Es bleibt unverständlich, warum gerade d...

Handschrift des Unglücks

Frei nach Tolstoi: Alle glücklichen Beziehungen gleichen einander, jede unglückliche Beziehung ist auf ihre eigene Weise unglücklich.