Es gibt im Leben eines heranwachsenden Menschen irgendwann einen Punkt, da reichen die eigenen Erlebnisse und Geistesanstrengungen nicht mehr aus, um ein oder mehrere Probleme zu bewältigen. Eine eigentlich fürs Leben geschlossene Beziehung zerbricht. Die eigenen Eltern wenden sich pikiert oder einfach desinteressiert ab. Das Studium findet kein gescheites Ende. Der Weg zur anständig bezahlten Arbeit, von Traumjob ist gar nicht zu sprechen, erfüllt sich nicht. Die Zahl der möglichen Schwierigkeiten ist Legion. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Menschen, die einem am nächsten stehen, in solchen Problemlagen nicht immer die richtigen Ratgeber sind. Zu sehr mischen sich in ihr Urteil zum Teil unrealistische Erwartungen (Familie), Verblendungen (enge Freunde) oder sogar Abhängigkeit (Partner). Sollten sich die Schwierigkeiten dann noch mit den Lebenslinien der Liebsten ungünstig verbinden, werden aus Anregungen schnell Drohungen. In solchen Fällen ist oftmals der vät
Als ich noch ein Pimpf war, sammelte ich „Projekt X“-Hefte. „Abenteuer in der Welt der Wissenschaft“ stand auf den Pappschubern, in denen sich neben einigen Sammelblättern für einen Ordner auch Poster, Bastelbögen und so manch andere Gimmicks befanden. Alle 14 Tage erschien eine neue Ausgabe, immer mit einem anderen Thema. Darunter gab es solch weitläufigen Kategorien wie „Unsere Ozeane“, „Licht“, „Sport und Fitness“, „Wetter“ oder „Kriminalität“. Man fantasierte sich mit dem Heft aber zuweilen auch „Ins Unbekannte“. Erschienen war die Reihe bei Marshall Cavendish in Hamburg, das in den 90er-Jahren viele großartige Sammelserien herausgab, darunter „Im Reich der Urwesen“ (das mich das erste und möglicherweise letzte Mal dem Fantasy-Genre näher brachte), „Faktor X“ (das meine durch „Akte X“ geweckte Leidenschaft fürs Unerklärliche vorzüglich bediente), sowie „Im Herzen der Klassik“ (das mir zeigte, dass es Gebiete gibt, die möglicherweise im Leben selbst bei besten Absichten n
„Jeanne Dielman, 23, Quai du Commerce, 1080 Bruxelles“ von der großen belgischen Regisseurin Chantal Akerman ist ein Film wie kein anderer: Ein Grundlagenwerk des kinematographischen Feminismus', Prototyp minimalistischen Leinwanderzählens und nicht zuletzt ein hochprivates Dokument sensibler Künstlerinnen vor und hinter der Kamera. Auch mehr als 40 Jahre nach der Premiere ein ergreifendes Erlebnis. Es ist eigentlich recht selten geworden, dass man einen Kinofilm nicht mehr so einfach zu sehen bekommt. Ohne YouTube, Netflix und all die illegalen Alternativen, natürlich aber auch ohne DVD und Blu-ray, war es früher ungleich schwerer als heute, cineastische Entdeckungen zu machen oder gar verbotene oder gemiedene Schätze zu entdecken. Mag es verständlich sein, dass man schon einige Anstrengungen unternehmen muss, um einen Film wie „Die 120 Tage von Sodom“ auszugraben (Pasolinis Hasserklärung bekommt man immerhin des Öfteren mit pädagogisch wertvoller Einführung im Kino zu sehen,
Wer nichts weiß, liebt nichts. Wer nichts tun kann, versteht nichts. Wer nichts versteht, ist nichts wert. Aber wer versteht, der liebt, bemerkt und sieht auch... Je mehr Erkenntnis einem Ding innewohnt, desto größer ist die Liebe... Wer meint, alle Früchte würden gleichzeitig mit den Erdbeeren reif, versteht nichts von den Trauben. Paracelsus
Prolog Auf der Liste der Dinge, die meine Eltern scheuten wie der Beamte unbezahlte Überstunden, gehörte immer das Abonnement. Bloß nichts abschließen, man könnte ein Leben lang gebunden sein, ohne je wieder davon loskommen zu können. So vermittelten sie es mir zumindest. Deshalb versuchte ich sie also vergeblich zu überreden, mir die Micky Maus, P.M. oder den Kicker nachhause liefern zu lassen (es reichte dann in Jugendzeiten irgendwann immerhin zur SportBild, auch wenn ich immer noch die panische Vorsicht in Erinnerung habe, die sich in den Augen meiner Mutter abzeichnete, als sie den ausgeschnittenen Aboantrag ausfüllte). Ich wurde so zwar zum besten Kioskkunden, den man sich vorstellen kann („kaufst du dir jeden Tag ein Heft?“, verspottete man mich auf dem Schulhof), aber spätestens seit dem ersten Zeitungsabo habe ich die eingetrichterte Furcht vor der garantierten Lieferung von bedrucktem Papier eingestellt. Ich habe es nicht bereut - und ein Zeitungsabonnement hat ja noch jedes