Mit schlechtesten Grüßen

Nichts wird so leichtfertig in die Welt geworfen wie ein Gruß. Jede klitzekleine, bedenkenlos dahingeschriebene Mail enthält einen - und sei es nur aus Gründen der Höflichkeit. Doch warum versehen so viele Menschen inzwischen ihre Gedanken, Forderungen und Fragen mit „besten Grüßen“?

Auf den ersten Blick ist an dieser Freundlichkeitsformel nichts auszusetzen. Sie scheint ja nur eine ausdrucksstärkere Variante der „freundlichen Grüße“ zu sein. Supersuperlative machen es im Leben ja stets einfacher. Vielleicht ist die Anwendung dieser neuen Leerformel eine Reaktion darauf, dass die „herzlichen Grüße“ doch etwas zu persönlich geworden sind. Man will ja nicht gleich mit Arial-Buchstaben umarmen.

In Netzforen machen sich unzählige Menschen verzweifelt Gedanken darüber, was sie ihrem Chef unter die Dienstmail klemmen, wie der Professor gegrüßt werden sollte oder was der Hausarzt gerade noch ziemlich finden könnte, um beim nächsten Mal vielleicht einen früheren Sprechstundentermin anzubieten.

„Die Grußformel muss zum Angesprochenen passen“, antworten dann die Life&Work-Coacher. Wer „beste Grüße“ sendet, kann da ja nichts falsch machen - denn diese Grüße sind nicht nur gut, sie sind delikat, extraordinär, vom Feinsten. Besser eben als die der anderen. Als gäbe es selbst hier einen Wettbewerb.

Superlative kennen keine Zurückhaltung


Dabei sind Empfehlungen nicht qualitativ einzustufen. Wie könnte denn eine besser sein als die andere? Hier hat sich wohl nur wieder ein Ventil gebildet für eine sprachliche Chiffre aus der Arbeitswelt, die längst ins Private hinüberschwappt. Wer sich keine Blöße geben will, muss der Beste sein - und sei es nur beim Verabschieden.

Das wirkt vor allem in jenen Fällen erschreckend verlogen, wenn nach einer kaum versteckten Forderung oder einer unzureichend kaschierten Wutbotschaft trotzdem noch die „besten Grüße“ winken. „Freundliche Grüße“ können immerhin ausdrücken, dass man einen gewissen Anstand selbst dann noch wahrt, wenn der Ausnahmezustand längst eingetreten ist. Doch „beste Grüße“ kennen keine Zwischentöne. Wie jeder Superlativ.

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