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Prolog

Albtraum Geburt

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„Eraserhead“ ist bis heute der erschreckendste Film von David Lynch geblieben. Das surrealistische Meisterstück ist nicht nur ein Höhepunkt des experimentellen Films, sondern liefert auch den Interpretationsschlüssel für alle späteren Werke des Regisseurs mit.  1977 probte das amerikanische Kino den Hypersprung und wagte sich zum ersten Mal in eine neue Galaxis vor. Mit „Krieg der Sterne“ von George Lucas wurde das Weltall nach Georges Méliès „Reise zum Mond“ und Stanley Kubricks „2001 - Odyssee im Weltraum“ endgültig für die große Leinwand erobert - und mit Lichtschwert-Power und Sternenkreuzern zum Explosionsfeld aufgedreht. Doch in diesem fürs Kino beachtliche Jahr wagte sich auch ein anderer Regisseur auf einen fremden Planeten vor und schilderte mit alpdruckhaften, expressionistischen Bildern eine phantastische Reise in eine (Innen-)Welt, die möglicherweise noch wesentlich unerforschter ist als so mancher Lichtjahre entfernter Sternenhaufen. „Eraserhead“, David Lynch...

Respekt

Man kann nicht jemanden respektlos behandeln, der einen wirklich respektiert.

David Lynch von A-Z: Rita

Es ist eine der Schlüsselszenen in „Mulholland Drive“, die den Film als Hommage und tragikomische Parodie auf die großen Zeiten der Traumfabrik (also auch „Sunset Boulevard“ von Billy Wilder) positioniert: Weil eine Frau nach einem Autounfall ihr Gedächtnis verloren hat und nicht mehr weiß, wie sie heißt, erblickt sie ein Poster des Films „Gilda“ mit Rita Hayworth und nennt sich von dem Zeitpunkt an „Rita“; Man hat es Lynch oft vorgeworfen, dass seine Frauenfiguren mit einer gewissen Holzschnittartigkeit bestimmte Rollen einnehmen, oft im Kontrast zueinander die naive, asexuelle Blonde und die geheimnisvolle, sexuell vielseitige Brünette. Natürlich geht dieser Vorwurf niemals vollständig auf (man denke nur an die ambivalente weibliche Besetzung in „Twin Peaks“), doch Tatsache ist, dass Lynch die Frauen in seinen Filmen mit großer Zärtlichkeit und auch einer gewissen Neugierde betrachtet.  Geheimnisumwitterte Frauenfiguren Wie und warum sie handeln, ist stets das größ...

David Lynch von A-Z: Qual

Lynch-Filme sind nicht ohne einen gewissen Hang zum Masochismus zu ertragen. Das liegt auch daran, dass seine Figuren selbst im Teufelskreis der Schmerzerfahrungen (seien sie nun selbst erlebt, beobachtet oder anderen zugefügt) eingezwängt sind. Außerdem enthalten alle seine Stoffe unter ihrer abstrakten, audiovisuellen, ausgefeilten Oberfläche stets einen tragischen Kern.  „Twin Peaks – Der Film (Fire Walk With Me)“, unter Fans einer der umstrittensten Filme Lynchs, in der Retrospektive aber wohl einer seiner interessantesten, enthüllt mit wesentlich düsteren Bildern als die spirituelle Serie, dass sich hinter der Geschichte um die ermordete Stadtschönheit auch das Drama um eine in fast allen möglichen Formen missbrauchte junge Frau verbirgt und der erschreckende Kreislauf von Geld, Drogen und Prostitution in jedem idyllischen Ort (oder, so will es uns Lynch weismachen, gerade dort!) Einzug erhalten kann.  Diktatur des Blicks Die größte Qual mag für den Zuschauer aber s...

Platsch

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Wenn Halbwüchsige ihr sauer zusammen gespartes Taschengeld für sündhaft teure Kondome ausgeben, nur um sie dann mit Wasser zu befüllen und sich gegenseitig damit zu bewerfen, dann ist die Welt vielleicht doch nicht aus den Angeln.

Manchmal haben sie recht

Die Zeit der Alarmisten schlägt öfter als jene der Zuversichtler. Ungeachtet der Tatsache, dass sich viele ihrer Prognosen als falsch und manchmal auch als ideologische Verblendung erweisen, gelingt schon aus Gründen der Wahrscheinlichkeit - der Bedenkenträger ruht eben einfach nicht - immer wieder eine exakte Vorhersage des Unheils. Wie der durchaus unvernünftig hohe Einsatz erst den Glücksspieler wirklich mit einem exorbitanten Gewinn belohnt, so steigert sich das Renommee des Unglückspropheten mit der Schlagkraft der Katastrophe, die vorausgesagt wird. Wer nur vor Wind warnt, wird selten erhört.

David Lynch von A-Z: Publikum

David Lynch: „Ich weiß nicht, was ich dem Publikum sagen will. Ich zeige auf der Leinwand Gedanken und Vorstellungen, die mich beschäftigen. Ich kann einfach nicht verstehen, weshalb die Leute um jeden Preis einen Sinn in der Kunst finden wollen, während sie sich längst damit abgefunden haben, dass es ihn im Leben nicht gibt.“ Trotz aller Sperrig- und Rätselhaftigkeit, trotz all der versponnen Bildideen und der Lust an der Provokation: David Lynchs Filme sind Publikumsfilme, denn sie leben von der Reaktion der Zuschauer, ziehen sie mit in den Erzählfluss hinein, so wie die Kamera in Ohren oder Kästchen zoomt. Bei Vorstellungen von „Mulholland Drive“ sollen Zuschauer lauthals angefangen haben zu lachen, als die obskure letzte Szene lief und der Bildschirm plötzlich schwarz war, alle Fragen aber offen blieben.  Natürlich spielte Lynch, wie es ja auch Hitchcock tat, mit den Erwartungen der Zuschauer – wenn es nach dem Regisseur gegangen wäre, hätte man in „Twin Peaks“ den...

David Lynch von A-Z: Ohr

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Natürlich, das Ohr, das Jeffrey Beaumont in „Blue Velvet“ findet (Lynch zeigt in vielen seiner Filme KörperTEILE; es gab sogar einmal das Gerücht, dass er eine ganze Sammlung solcher vormals lebendiger Gegenstände in seinem Heimkühlschrank lagert). Aber wer die Filme von David Lynch schaut, der sollte vor allem auch die Ohren spitzen: Auf den Sound kommt es an.  Der kam schon in den frühen Filmen von Studienkollege Alan Splet, der mit großem Feingefühl eine elektronische Atomsphäre des Grauens schuf. Unvergesslich das überlaute Brummen der Heizung in „Eraserhead“, erschreckend selbst das explosionsartige Anzünden einer Zigarette in „Wild At Heart“. Aber auch die Musik von Angelo Badalamenti, der seit „Blue Velvet“ die Filme des Regisseurs mit atmosphärischen Synthie-Flächen unterlegt, gehören zum organischen Klanguniversum Lynchs einfach dazu. Sie erzeugt einen einzigartigen Sog.