Schweres Herz, kühler Geist und baldiger Besuch von Herrn Böger
Merklich eine Stimme, die nur aus einer berliner Kehle stammen kann: „Macht euch bitte bereit, um 11 Uhr wird Herr Böger da sein. Seid vorbereitet und auch in der Lage, Fragen beantworten zu können.“
Jugend Forscht. Ein Wettbewerb für junge Forscher, wie der Name es so klar und deutlich vermittelt. Ich wurde mitgenommen. Und damit wurde mir wieder einiges vor Augen geführt, das ich doch eigentlich schon wissen müsste. Da stand ich zwischen Massen von jungen Menschen, viele jünger, sehr viele noch jünger und einige älter als ich, und fühlte mich bizarr deplaziert. Man muss sich diese Veranstaltung folgendermaßen vorstellen: Tag der offenen Tür für Klassen (Frau Gutthof-Müller nimmt ihre wissbegierigen Blagen gerne mit auf eine Entdeckungsreise – schließlich hat die eigene Schule ja 10 Beiträge vor Ort), für Schaulustige (meine Wenigkeit) und ein kleines Stelldichein für Herrn Böger – der, ganz diszipliniert seinem Job als Bildungsminister nachgehend, dem Nachwuchs gerne eine Visite abstattet (Er denkt sich bestimmt: Da war doch was heute – JF im Kalender eingetragen. Muss ich die Flitzesabine fragen, was das noch mal war – Flitzesabine kommt rein, informiert Böger über das baldige Auftreten. Böger trinkt noch einen Kaffee und zieht sich missmutig das Sakko über. Los.). Um es vorwegzunehmen: Den beissend zynischen Besuch des Bildungsministers wollte ich mir gar nicht erst angucken. Ich blieb geschlagene 45 Minuten und muss vielerlei loswerden.
1. Wenn deine ehemalige Schule mit dem Thema „Sicher durch den Straßenverkehr“ (Hübsch: Alle Autos gezählt, die von 9-10 Uhr vorbeigefahren sind) dasteht – und dies das einzige Thema ist, was sagt das über deine ehemalige Penne aus – und noch erschreckender, was sagt das über deine eigene Bildung, die ja mehrheitlich – ich Lügner – von dieser Schule verbrochen wurde?
2. Wenn Fünftklässler das Thema „Alcopops – wirklich so gefährlich?“ haben, müsste man sich nicht die bittersüße Frage verkneifen, ob sie das im Selbsttest ausprobiert haben (man kann es nicht, ehrlich – es will raus)
3. Wenn das interessanteste Thema für mich „Schönheit – Gibt es Möglichkeiten ein Ideal zu bestimmen?“ ist, was sagt das über mich aus (die Schülerinnen, die das vorstellten, waren jedenfalls recht hübsch)?
Nein, ich versuche es ehrlich zu beurteilen: Es gab einige interessante Beiträge, die auch den Sinn einer solchen Veranstaltung (Was ist der Sinn? – Kinder zum Nachdenken anregen? Kinder von der Straße holen? Freaks in einer Spielpause von Doom etwas Vernünftiges machen lassen?) rechtfertigen – allesamt von älteren Schülern. Ein moderater Kühler für den PC-Prozessor zum Beispiel. Manchmal wundere ich mich über etwas. Da gab es einen selbstgebastelten Vulkan, der das Prinzip des selbigen verdeutlichen sollte. Woran liegt es, dass ich so oft an die Simpsons denken muss? Kommt oft vor, viele Situationen erinnern mich an den einen oder anderen Witz. Ich schweife ab. Ach übrigens: Das ganze fand im BMW-Werk statt – Förderer des Projekts. Die waren sauklug, legten überall Broschüren aus und ließen irgend so ein Motorrad-Videospiel auf Leinwand laufen, mit original Lenkrad zum Zocken. Es ist schwer zu raten, wo sich die meisten Menschen versammelten. Obwohl es doch so schöne Themen gab: „Macht Cola-Light süchtig“ (Antwort der Schüler: Ja! Was das für die Diät-Junkies nun bedeutet; dünn aber süchtig nach Cola Light und Katjes Joghurt Gums – hätte man ja auch nach ihrem Suchtgehalt untersuchen können) oder „Wie rettet man das Vitamin-C“. Am meisten los war in der Informatik-Physik-Mathe-Ecke. Hier war der Brillenanteil auch am höchsten. Spannend aus Genderforschungssicht: Auffällig viele Frauen – gutaussehend – vor Ort.
Ich hätte das Gebäude mit dem Gefühl verlassen können, dass dies ja alles eine witzige, belanglose, dümmlich-faszinierende Freakshow für hyperinteressierte Lehrer und hyperaktive Jungforscher ist (natürlich auch für hyperstolze Eltern), aber stattdessen klampfte in meiner Brust diese eigentümliche Schwermut, die mich begreifen läßt, dass ich einfach nicht das Interesse, den Mut und den Intellekt besitze, um mich einem bestimmten naturwissenschaftlichen Rahmen zu unterwerfen. Es geht nicht. Ich kann so viel Interesse heucheln und es würde dennoch nichts nützen. Und immer fällt mir auf: Verdammt, was will die Naturwissenschaft, so nackt und gestählt sie da steht, ohne Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaft erreichen? Sie kann ja einen Club aufmachen und sich freuen über all die Errungenschaften. Was wäre Freud, wenn er keinen Einfluss auf Literatur und Kunst, Film und so weiter gehabt hätte? Was wäre Darwin, ohne eine Weiterführung seiner Thesen auf kultureller, soziologischer Ebene (auch wenn dies eines der grauenhaftesten Kapitel der Menschheit ideologisch mitbestimmte), was hätte Kopernikus schon verändert ohne eine Gesellschaft, die ihre Sicherheiten in Gefahr sieht? Und was verändert nun ein kräftiger Kühler im PC? Vielleicht ist Jugend Forscht einfach nur ein witziger Bastlerwettbewerb. Was aber haben dann Kinder dort zu suchen, die zählen, wie viel Autos bei ihnen um den Block düsen?
Merklich eine Stimme, die nur aus einer berliner Kehle stammen kann: „Macht euch bitte bereit, um 11 Uhr wird Herr Böger da sein. Seid vorbereitet und auch in der Lage, Fragen beantworten zu können.“
Jugend Forscht. Ein Wettbewerb für junge Forscher, wie der Name es so klar und deutlich vermittelt. Ich wurde mitgenommen. Und damit wurde mir wieder einiges vor Augen geführt, das ich doch eigentlich schon wissen müsste. Da stand ich zwischen Massen von jungen Menschen, viele jünger, sehr viele noch jünger und einige älter als ich, und fühlte mich bizarr deplaziert. Man muss sich diese Veranstaltung folgendermaßen vorstellen: Tag der offenen Tür für Klassen (Frau Gutthof-Müller nimmt ihre wissbegierigen Blagen gerne mit auf eine Entdeckungsreise – schließlich hat die eigene Schule ja 10 Beiträge vor Ort), für Schaulustige (meine Wenigkeit) und ein kleines Stelldichein für Herrn Böger – der, ganz diszipliniert seinem Job als Bildungsminister nachgehend, dem Nachwuchs gerne eine Visite abstattet (Er denkt sich bestimmt: Da war doch was heute – JF im Kalender eingetragen. Muss ich die Flitzesabine fragen, was das noch mal war – Flitzesabine kommt rein, informiert Böger über das baldige Auftreten. Böger trinkt noch einen Kaffee und zieht sich missmutig das Sakko über. Los.). Um es vorwegzunehmen: Den beissend zynischen Besuch des Bildungsministers wollte ich mir gar nicht erst angucken. Ich blieb geschlagene 45 Minuten und muss vielerlei loswerden.
1. Wenn deine ehemalige Schule mit dem Thema „Sicher durch den Straßenverkehr“ (Hübsch: Alle Autos gezählt, die von 9-10 Uhr vorbeigefahren sind) dasteht – und dies das einzige Thema ist, was sagt das über deine ehemalige Penne aus – und noch erschreckender, was sagt das über deine eigene Bildung, die ja mehrheitlich – ich Lügner – von dieser Schule verbrochen wurde?
2. Wenn Fünftklässler das Thema „Alcopops – wirklich so gefährlich?“ haben, müsste man sich nicht die bittersüße Frage verkneifen, ob sie das im Selbsttest ausprobiert haben (man kann es nicht, ehrlich – es will raus)
3. Wenn das interessanteste Thema für mich „Schönheit – Gibt es Möglichkeiten ein Ideal zu bestimmen?“ ist, was sagt das über mich aus (die Schülerinnen, die das vorstellten, waren jedenfalls recht hübsch)?
Nein, ich versuche es ehrlich zu beurteilen: Es gab einige interessante Beiträge, die auch den Sinn einer solchen Veranstaltung (Was ist der Sinn? – Kinder zum Nachdenken anregen? Kinder von der Straße holen? Freaks in einer Spielpause von Doom etwas Vernünftiges machen lassen?) rechtfertigen – allesamt von älteren Schülern. Ein moderater Kühler für den PC-Prozessor zum Beispiel. Manchmal wundere ich mich über etwas. Da gab es einen selbstgebastelten Vulkan, der das Prinzip des selbigen verdeutlichen sollte. Woran liegt es, dass ich so oft an die Simpsons denken muss? Kommt oft vor, viele Situationen erinnern mich an den einen oder anderen Witz. Ich schweife ab. Ach übrigens: Das ganze fand im BMW-Werk statt – Förderer des Projekts. Die waren sauklug, legten überall Broschüren aus und ließen irgend so ein Motorrad-Videospiel auf Leinwand laufen, mit original Lenkrad zum Zocken. Es ist schwer zu raten, wo sich die meisten Menschen versammelten. Obwohl es doch so schöne Themen gab: „Macht Cola-Light süchtig“ (Antwort der Schüler: Ja! Was das für die Diät-Junkies nun bedeutet; dünn aber süchtig nach Cola Light und Katjes Joghurt Gums – hätte man ja auch nach ihrem Suchtgehalt untersuchen können) oder „Wie rettet man das Vitamin-C“. Am meisten los war in der Informatik-Physik-Mathe-Ecke. Hier war der Brillenanteil auch am höchsten. Spannend aus Genderforschungssicht: Auffällig viele Frauen – gutaussehend – vor Ort.
Ich hätte das Gebäude mit dem Gefühl verlassen können, dass dies ja alles eine witzige, belanglose, dümmlich-faszinierende Freakshow für hyperinteressierte Lehrer und hyperaktive Jungforscher ist (natürlich auch für hyperstolze Eltern), aber stattdessen klampfte in meiner Brust diese eigentümliche Schwermut, die mich begreifen läßt, dass ich einfach nicht das Interesse, den Mut und den Intellekt besitze, um mich einem bestimmten naturwissenschaftlichen Rahmen zu unterwerfen. Es geht nicht. Ich kann so viel Interesse heucheln und es würde dennoch nichts nützen. Und immer fällt mir auf: Verdammt, was will die Naturwissenschaft, so nackt und gestählt sie da steht, ohne Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaft erreichen? Sie kann ja einen Club aufmachen und sich freuen über all die Errungenschaften. Was wäre Freud, wenn er keinen Einfluss auf Literatur und Kunst, Film und so weiter gehabt hätte? Was wäre Darwin, ohne eine Weiterführung seiner Thesen auf kultureller, soziologischer Ebene (auch wenn dies eines der grauenhaftesten Kapitel der Menschheit ideologisch mitbestimmte), was hätte Kopernikus schon verändert ohne eine Gesellschaft, die ihre Sicherheiten in Gefahr sieht? Und was verändert nun ein kräftiger Kühler im PC? Vielleicht ist Jugend Forscht einfach nur ein witziger Bastlerwettbewerb. Was aber haben dann Kinder dort zu suchen, die zählen, wie viel Autos bei ihnen um den Block düsen?